Totenwache - Thriller
seinem Platz. Vor ihm stand eine junge Frau, die ihn anlächelte.
»Willkommen bei PharmaGen, Mr. Polchak. Ich heiße Kelli. Vielen Dank für Ihren Besuch.«
Die junge Frau sah ihn mit ihren großen strahlenden Augen freundlich an und streckte ihm ihre perfekt manikürte Hand entgegen. Nick erwiderte ihren Händedruck. Ihre Hand war glatt und weich wie Seide. Am liebsten hätte er ihr Händchen hin- und hergedreht und etwas genauer in Augenschein genommen. Am meisten beeindruckte ihn allerdings, dass sie ihm fast direkt in die Augen sah. Seine riesigen Brillengläser schienen sie nicht weiter zu irritieren. Nur ein unmerkliches Zucken ihrer Augenlider verriet ein gewisses Erstaunen.
»Ich bin hier bei PharmaGen die klinische Forschungskoordinatorin«, sagte sie lächelnd. »Würden Sie mir bitte folgen?« Sie setzte einen Fuß genau hinter den anderen, drehte sich elegant um und steuerte eine Tür neben der Mattglas-Chrom-Rezeption an.
Nick beobachtete sie, während sie vor ihm herging. Ihr tiefbraunes Haar war hinten zusammengerafft. Nur eine einzelne Strähne fiel ihr wie zufällig vorne in die Stirn - genau die richtige Mischung aus Professionalität und Sinnlichkeit. Sie trug ein makellos geschnittenes weites Jackett, das an
den Schultern ausgestellt war, sich zur Taille hin verjüngte und sich dank eines Schlitzes auf der Rückseite schließlich in elegantem Schwung ihren Hüften anschmiegte. Wie das luxuriös eingerichtete Wartezimmer ringsum bot auch Kelli ein genau kalkuliertes Bild von Präzision und Professionalität. Sie war das Hochglanzcover eines Bestsellers, der demnächst erscheinen sollte.
Die beiden traten in einen kleinen Salon, der viel wärmer und intimer eingerichtet war als der Empfangsbereich mit seinem kalten Neonlicht. Die auf Augenhöhe angebrachten sandfarbenen Lampenschirme verströmten ein angenehmes Licht. Gemütliche Polstermöbel und grüne Pflanzen sorgten für eine behagliche Atmosphäre. Die Bilder an den Wänden zeigten ländliche Idyllen, die diesen Gesamteindruck noch verstärkten.
»Bitte nehmen Sie doch Platz, Mr. Polchak. Oh nein, nicht dort. Wie wär’s mit dem Sessel da drüben - reines Kalbsleder … Und wie sitzen Sie?«
»Wie in einem großen Baseballhandschuh«, sagte Nick und machte es sich bequem. Er überlegte kurz, ob er sich von dem Kugelschreiber befreien sollte, den er hinten in die Gesäßtasche geschoben hatte, ließ ihn dann aber, wo er war.
»Und von wo kommen Sie heute zu uns?«
»Aus Tarentum«, sagte Nick.
»Tarentum. Nie gehört, glaube ich.«
»Das liegt ungefähr dreißig Kilometer den Allegheny aufwärts - auf der anderen Seite von New Kensington und Lower Burrell.« Nick beugte sich in seinem Sessel nach vorn. »Lower Burrell kennen Sie doch sicher.«
»Natürlich«, log sie. »Wissen Sie, eigentlich hätten Sie sich den weiten Weg auch sparen können.«
»Wollen Sie etwa behaupten, dass Sie in Tarentum ein eigenes Büro haben?«
»Wir haben Büros in neunundzwanzig Countys in West-Pennsylvania.«
»Für ein so junges Unternehmen wirklich bemerkenswert«, sagte Nick. »Dann kaufen Sie sicher auch Aktien, wenn die Firma erst mal an der Börse notiert ist.«
»Oh ja, ich stelle mich sogar ganz vorne an«, erwiderte sie augenzwinkernd. Dann öffnete sie eine schokobraune Mappe, die auf ihrem Schoß lag. »Wenn ich recht verstanden habe, sind Sie hier, weil Sie gerne in unserem Keystone-Club Mitglied werden möchten.«
»Ich bin hier, um mich erst mal zu informieren - das ist alles noch so neu für mich. Natürlich weiß ich grob, worum es geht: PharmaGen führt eine Massenstudie durch, um Korrelationen zwischen Genmutationen und bestimmten Krankheiten nachzuweisen. Sobald dieser Nachweis geführt ist, möchte das Unternehmen personalisierte Medikamente entwickeln.«
»Sehr gut ausgedrückt, Mr. Polchak.«
»Meine Mom sagt auch immer, dass ich naturwissenschaftlich begabt bin. Sagen Sie, hat PharmaGen eigentlich schon ein marktfähiges Produkt im Angebot?«
»Nein, noch nicht, aber wir stehen kurz davor. Im Augenblick konzentrieren wir uns allerdings vor allem auf die repräsentative Bevölkerungsstudie. Und dazu dient uns der Keystone-Club.«
»Mit einer halben Million Mitgliedern«, zitierte Nick den PR-Text der Website. »Das ist eine verdammt große Zielpopulation. Glauben Sie wirklich, dass Sie diese Zahl erreichen?«
»Aber natürlich - und zwar mit Hilfe der vielen, vielen Menschen, die unserem Projekt genauso aufgeschlossen
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