Totenwache - Thriller
eingeworbene Risikokapital fast verbraucht hat. Allein Ihre Massenstudie hat eine Unsumme verschlungen. Das heißt, Sie befinden sich mit Ihrem Unternehmen jetzt in einem Rennen gegen die Zeit. Das heißt aber auch, Sie stehen vor der Frage: Gelingt es mir, noch rechtzeitig ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen, oder ist meinem Unternehmen das gleiche Schicksal beschieden wie so vielen anderen hoffnungsvollen Technik-Startups? Beispiele dieser Art gibt es nun wirklich mehr als genug. Den weiteren Geldzufluss können Sie jedoch nur gewährleisten, wenn Sie potenziellen Investoren ein marktfähiges Produkt in Aussicht stellen. Um ein solches Produkt zu entwickeln, brauchen Sie allerdings zunächst einmal weiteres Geld. Dabei geht Ihnen wie so vielen jungen Unternehmen allmählich die Puste aus, und zurzeit sind Sie vor allem damit beschäftigt, diesen Umstand zu verbergen. Hab ich recht?«, fragte er.
Truett sah Zohar mit distanziertem Blick an, doch der Mann fuhr unbeirrt fort: »Ein Scheitern Ihres Projekts wäre für Sie finanziell außerordentlich folgenreich - aber noch schlimmer wäre ein solches Scheitern für Sie ganz persönlich . Wissen Sie, Mr. Truett, ich habe mir mal die beiden Startups angeschaut, die Sie in der Vergangenheit bereits
gegründet haben. Wenn ich recht im Bilde bin, ist dies ja nicht Ihr erster Versuch, eine zukunftweisende Firma zu etablieren. Da war zum Beispiel dieses Unternehmen für Netzwerk-Marketing. Hat leider nicht funktioniert. Und danach haben Sie sich an diesem ambitionierten Internetprojekt versucht. Obwohl es Ihnen in beiden Fällen gelungen ist, mehrere Millionen Dollar Risikokapital aufzutreiben, sind am Ende beide Projekte gescheitert.«
Truett errötete. »Das war nicht meine Schuld.«
»Natürlich nicht. Zuerst dieser Konjunktureinbruch, dann die schwierige Marktsituation. Doch welcher Investor interessiert sich schon für solche Details? Die meisten Investoren folgen dem schlichten Grundsatz Beim dritten Flop ist Schluss. Das heißt, PharmaGen ist Ihre letzte Chance, Mr. Truett. Wenn Sie diesmal baden gehen, können Sie sich einen netten konventionellen Job suchen - vielleicht als kleiner Investmentbanker oder so. Auch kein schlechter Job - aber für eine Yacht dürfte Ihr Einkommen dann kaum noch reichen.«
Truett sah Zohar an, als ob er ihn erst jetzt richtig wahrnahm. Er hatte den Mann unterschätzt, ein Fehler, der ihm nur selten unterlief. Plötzlich sah er Zohar mit ganz neuen Augen. Der Ethikspezialist war relativ klein gewachsen und von eher unauffälliger Erscheinung, wirkte durch sein Auftreten aber deutlich älter, als er eigentlich war. Jetzt erst bemerkte Truett, dass Julian Zohar nicht etwa alt, sondern ungemein gerissen war - nicht höflich, sondern berechnend, nicht schwach, sondern hoch diszipliniert. Bis dahin hatte Truett den Mann auf der anderen Seite des Tisches für einen etwas zerstreuten ältlichen Professor gehalten, genau was er - Truett - brauchte, um seinem hart am Erfolg orientierten Unternehmen in den Augen der Öffentlichkeit einen sympathischen Anstrich zu geben. Doch jetzt sah er
ihn plötzlich in einem völlig neuen Licht. Zohar war eine Schlange - eine Giftnatter -, und Truett vermochte nicht einzuschätzen, wie gefährlich diese Schlange war, wie tödlich ihr Biss.
Der ältere Mann beugte sich ein wenig vor und tätschelte Truett auf der anderen Seite des Tisches die Hand. »Mein junger Freund«, sagte er leise. »Sie befinden sich in einer schwierigen Lage. Über Ihrem Kopf schwebt ein Damoklesschwert, und ich fände es schrecklich, wenn der dünne Faden, an dem es hängt, reißen sollte. Ja, ich würde das Scheitern dieses visionären Projekts aufrichtig bedauern. Deshalb werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um das Überleben Ihres Unternehmens zu sichern. Und genau das ist der Grund, weshalb ich mit Ihnen sprechen, sie persönlich kennen lernen wollte. Ich möchte Ihnen zeigen, wie Sie aus Ihrem Unternehmen eine Goldgrube machen können.«
Zohar bedachte Truett mit einem freundlichen Lächeln. »Würde Ihnen eine Million Dollar im Monat weiterhelfen? Steuerfrei, versteht sich.«
Der Maschinenlärm, der aus dem Schleusenhaus nach draußen drang, riss Truett aus seinen Gedanken. Dann fing das Funkgerät an zu knacken. Auf den kleineren Booten weiter vorn herrschte inzwischen wieder reges Treiben. Die Besatzungen holten die Leinen ein und machten sich zur Ausfahrt aus der Schleuse bereit. Truett blickte
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