Totenwache - Thriller
Herz-Leber-Transplantat bekommen. Er war nicht mal einen Tag auf der Warteliste, obwohl man damals normalerweise zwei Monate auf eine Leber und sechs Monate auf ein Herz warten musste.«
»Dann ist es also nicht unbedingt von Nachteil, wenn man zufällig der erste Bürger eines US-Bundesstaates ist.«
»Die Sache ist hinterher untersucht worden, Nick. Sechs potenzielle Herzempfänger standen vor Casey auf der Liste und zwei Leberkandidaten. Allerdings ist Casey bloß deshalb nach oben gerutscht, weil er gleich zwei Spenderorgane brauchte - das war der einzige Grund.«
»Dann wollen Sie mir also wirklich weismachen, dass die Reichen und die Mächtigen nichts unternehmen können, um das System zu ihren Gunsten zu manipulieren?«
»Oh doch - da gibt es schon einiges. Solche Leute können ihren Wohnsitz beispielsweise in die Nähe der Klinik mit der kürzesten Warteliste verlegen - so etwas können sich reiche Leute natürlich leisten. Der zuständige Chirurg
könnte sie früher auf die Warteliste setzen, als dies eigentlich erforderlich wäre, damit sie früher an der Reihe sind. Und der Operateur könnte sie natürlich auch früher in die Klinik einweisen, um ihren Fall dringlicher erscheinen zu lassen. Aber das sind relativ harmlose Mittel, Nick. Eine echte Aushebelung des Systems ist trotzdem nicht möglich. In den meisten Fällen können sich die Reichen und Mächtigen auch bloß hinten anstellen und abwarten - wie jeder andere auch.«
Während der folgenden Minuten stocherte Nick schweigend in seinem Essen herum. Als er gerade eine Gabel Pasta mit Pilzsauce zum Mund führte, hielt er mitten in der Bewegung inne und legte die Gabel wieder auf den Teller.
»Die hiesige Koordinierungsstelle leitet die medizinischen Daten des Spenders an UNOS weiter - das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?«
»Ja, richtig.«
»Und im Gegenzug erhält die Koordinierungsstelle dann eine Auflistung aller in Frage kommenden Empfänger.«
»Genau - aller potenziellen Empfänger vor Ort.«
»Diese Liste hat aber nicht überall den gleichen Umfang. Wie sieht es zum Beispiel hier in der Gegend aus? Werden in Pittsburgh viele Transplantationen durchgeführt?«
»Ja, an der Uniklinik. Dort gibt es ein riesiges Transplantationszentrum.«
»Wenn die Koordinierungsstelle also eine Liste mit den Namen der potenziellen Empfänger erhält, dann müssten dort ja die meisten Leute verzeichnet sein, die hier an der Uniklinik als potenzielle Organempfänger registriert sind?«
»Ja, richtig.«
»Denken Sie mal nach«, sagte Nick. »Niemand bekommt die Warteliste zu Gesicht. Aber sooft die hiesige Koordinierungsstelle
die Daten eines Spenders weiterleitet, bekommt sie auch einen Ausschnitt der Warteliste zu sehen.«
»Könnte man so sagen.«
»Wenn es also bei COPE jemanden gibt, der ein Interesse daran hat, alle Leute aufzulisten, die hier in der Gegend auf eine Nierentransplantation warten, dann könnte er das tun. Und wenn eine solche Person diese Listen über einen längeren Zeitraum miteinander vergleichen würde, könnte sie erfahren, wie lange die einzelnen Kandidaten auf der Liste schon auf ihre Niere warten.«
»Vermutlich - aber wieso sollte jemand daran ein Interesse haben?«
»Hören Sie sich das mal an«, sagte er und blickte in das geöffnete Buch. »›Das 1976 verabschiedete französische Transplantationsgesetz unterstellt, dass eine Person, die zu Lebzeiten nicht ausdrücklich eine Organspende nach ihrem Tod verweigert hat, ihre Organe im Fall ihres Ablebens automatisch zur Transplantation freigibt.‹ Das Gesetz gestattet es daher, ›einem Verstorbenen, der dieser Prozedur zu Lebzeiten nicht ausdrücklich die Zustimmung verweigert hat, ein Organ zu entnehmen, das für therapeutische oder für wissenschaftliche Zwecke benötigt wird.‹ In dem Buch hier heißt es, dass es entsprechende gesetzliche Bestimmungen auch in Belgien, Finnland, Italien, Norwegen, Österreich, der Schweiz und in Spanien gibt.«
»Ja, man spricht in dem Zusammenhang von einem ›stillschweigenden Einverständnis‹«, sagte Riley. »Dabei gilt einfach die Annahme, dass ein potenzieller Spender mit der Organentnahme einverstanden ist, solange er nicht ausdrücklich etwas anderes festgelegt hat.«
Nick sah sie fragend an. »Und - gar nicht beeindruckt? Na gut, dann versuchen wir es noch einmal anders: ›Wenigstens zwei US-Bundesstaaten haben bereits in Erwägung
gezogen, Gesetze zu verabschieden, die sich ebenfalls von dem Prinzip des
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