Totenwache - Thriller
eine ziemlich abwegige Vermutung. Was halten Sie von der Idee, dass Zohar, Truett und Lassiter es irgendwie geschafft haben, einen Schwarzmarkt für Spenderorgane zu etablieren?«
Nick beobachtete Rileys Reaktion. Sie schloss die Augen, sagte aber nichts.
»Immer noch nicht beeindruckt? Allmählich bin ich wirklich enttäuscht.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Riley. »Aber das ist doch völlig absurd.«
»Wirklich? Solche Versuche hat es auch schon anderswo gegeben - zum Beispiel auf den Philippinen, in Indien, sogar in England. Wir wissen, dass Julian Zohar ein großer
Verfechter der ›obligatorischen Organentnahme‹ oder des ›stillschweigenden Einverständnisses‹ ist - oder wie immer Sie das nennen. Und wenn er nun einen Weg gefunden hat, die offiziell geltenden Bestimmungen zu unterlaufen? Wenn Lassiter die Niere beispielsweise nur deshalb nicht freigegeben hat, weil er für das Organ einen anderen Verwendungszweck hatte? Wenn er Sie nur deswegen von den Obduktionen ausschließt, damit Sie nicht mitbekommen, was er da hinter verschlossenen Türen anstellt? Und wenn nun Lassiter den Leichen, die auf seinem Tisch landen, die Organe entnimmt und sie an Zohar weiterleitet, während PharmaGen eine Art Mittlerrolle spielt?«
»Ach, kommen Sie, Nick«, sagte Riley und richtete sich langsam auf. »Das ist doch bloß eine alte Verschwörungstheorie, die immer wieder mal Konjunktur hat. Das ist schlicht unmöglich.«
»Und warum?«
»Dafür gibt es Dutzende von Gründen. Erstens brauchen Sie jede Menge Komplizen, wenn Sie so ein Ding drehen wollen. Und wo wollen Sie den Opfern die Organe entnehmen? Etwa im Rechtsmedizinischen Institut? Die Leichen, mit denen wir es dort zu tun haben, treffen erst Stunden nach Eintritt des Todes bei uns ein. Und zu diesem Zeitpunkt sind die Organe längst nicht mehr brauchbar. Außerdem: Wie sollte Lassiter das denn anstellen? Mal schnell eine Niere in einer Kühltasche verstauen und dann damit durch das Institut spazieren? Und wo sollte die Verpflanzung der Organe stattfinden? Welcher Arzt würde so ein Risiko auf sich nehmen? Welche Klinik würde so etwas zulassen?«
»Und wenn nun …«
»Nick - es gibt Dutzende von Gründen, weshalb so etwas nicht möglich ist, und ich bin heute Abend schlicht zu
müde, um Ihnen diese Gründe allesamt darzulegen.« Riley stand auf, streckte sich und machte ein gequältes Gesicht.
Wieder musterte Nick sie eingehend. Ihre Schultern hingen schlaff herab, und ihre Stimme klang erschöpft. Riley McKay war zwar eine starke Frau, eine Frau, die genau wusste, was sie wollte, trotzdem war sie völlig fertig, das war offenkundig.
»Ich mache mir Sorgen um Sie«, sagte Nick.
Riley zögerte kurz und sah ihn dann an. »Ich mag Sie auch«, sagte sie. »Manchmal sind Sie ein richtig süßer Insektoid. Und Sie wissen ja gar nicht, wie viel mir Ihre Hilfe bedeutet.«
»Nein, weiß ich nicht. Aber Sie können es mir gerne näher erläutern.«
Sie legte ihm die rechte Hand auf die Brust und sagte dann zögernd: »Nick … ich glaube, es wäre besser, wenn … wir es bei einer professionellen Zusammenarbeit belassen.«
Nick sah sie einige Sekunden schweigend an. »Darf ich dazu etwas sagen?«, fragte er.
»Nein, lieber nicht«, entgegnete sie. »Tut mir wirklich leid, Nick. Anders geht es nun mal nicht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mich unbedingt etwas hinlegen. Den Weg nach draußen finden Sie ja allein. Und machen Sie bitte die Tür hinter sich zu.«
Dann drehte sie sich um und ging langsam durch den Flur in Richtung Schlafzimmer.
»Ich habe noch einen weiten Heimweg«, rief er ihr hinterher. »Was dagegen, wenn ich mal kurz die Toilette benutze?«
Riley schob die Hand durch eine offene Tür und schaltete ein Licht ein, trat dann schweigend in das Zimmer und machte die Tür hinter sich zu.
Nick schloss die Tür zum Bad und drehte den Wasserhahn über dem Waschbecken auf. Dann öffnete er leise das weiße Medizinschränkchen und blickte hinein. Auf den drei Einlegeböden waren die üblichen Kosmetika, Deodorants, Hautreiniger und Erste-Hilfe-Utensilien aufgereiht. Auf dem Boden ganz unten standen drei verschreibungspflichtige Medizinfläschchen. Nick notierte sich rasch die Angaben vorne auf den Etiketten.
Dann betätigte er die Spülung, schaltete das Licht aus und verließ leise die Wohnung.
19. Kapitel
»Also, damit wir uns nicht falsch verstehen«, sagte Leo. »Jemand stirbt, die Leiche kommt ins
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