Totenwache - Thriller
deshalb gewisse unveräußerliche Rechte hat, ist er davon jedenfalls alles andere als angetan.«
»Und bereitet Ihnen Zohars Einfluss auf die Geschäftspolitik von PharmaGen Kopfzerbrechen?«
»Kopfzerbrechen bereitet mir der utilitaristische Ansatz in der Ethik. ›Der größtmögliche Vorteil für die größtmögliche Zahl von Menschen‹ - was bedeutet das denn eigentlich? Was genau ist hier mit dem Wort ›Vorteil‹ gemeint, Dr. Polchak, und wessen Vorteil ist hier das Kriterium? Ich halte nichts von ethischen Theorien, die ohne Anbindung an ein höheres Prinzip auszukommen meinen.«
»Anbindung?«
Paulos hob die Hand und streckte Nick drei Finger entgegen. »Drei Cowboys reiten in eine Stadt. Der erste bindet sein Pferd an dem Tier des zweiten fest, der zweite seines an dem Pferd des dritten. Dann gehen alle drei Pferde gemeinsam durch. Und wieso? Weil keines der Pferde an einem Pflock festgebunden ist. Vor demselben Dilemma steht auch eine Ethik, die nicht auf einem sicheren Fundament ruht - sie hängt einfach in der Luft, Dr. Polchak. Und irgendwann gibt es dann kein Halten mehr.«
»Und wer sind die Cowboys?«
»Die wechseln in jeder Generation. Die für die Gegenwart bestimmenden Kräfte sind wohl Information, Technik und Effizienz. Der Wilde Westen ist weit, deshalb tauchen ständig neue Cowboys auf.«
Nick erhob sich langsam von seinem Stuhl und streckte Paulos zum Abschied die Hand entgegen. »Danke, dass Sie sich so viel Zeit für mich genommen haben«, sagte er. »Eine Menge Stoff zum Nachdenken.«
»Vielleicht möchten Sie das Thema ja noch mit Dr. Zohar vertiefen.«
»Denkbar.«
»Sagen Sie - wissen Sie inzwischen, ob Sie PharmaGen Ihr Genmaterial überlassen?«
»Was würden Sie mir denn raten?«
Paulos grinste. »Sie möchten gerne wissen, ob der Wachhund den Hühnerstall für sicher hält? Dazu kann ich Ihnen nur so viel sagen: Bislang habe ich noch keinen Fuchs gesehen.«
Nick grinste ebenfalls. »Und wenn sich der Fuchs nun schon die ganze Zeit im Hühnerstall aufhält?«
18. Kapitel
Riley streifte den Topfhandschuh ab, ging in den Vorraum und öffnete die Wohnungstür. Draußen stand Nick Polchak und las in einem aufgeschlagenen Buch.
»Verstehen Sie was von Organtransplantation?«, fragte er, ohne aufzublicken.
»Nett, Sie zu sehen«, sagte Riley und ging wieder Richtung Küche. »Möchten Sie vielleicht hereinkommen, oder wollen Sie das Buch lieber vorher noch zu Ende lesen?«
Nick trat langsam ein und ließ die Tür einfach offen. Er bewegte sich wie ein Schlafwandler Richtung Sofa, setzte sich hin und konnte sich immer noch nicht von dem Buch losreißen.
»Wasser oder Wein?«, fragte Riley aus der Küche.
»Wozu?«
»Zum Essen.«
»Wein.«
»Ich habe mit Leo gesprochen«, sagte sie, »und ihn gebeten, die Spyware -Berichte über Lassiters Computeraktivitäten zu prüfen …«
»Aber ihm ist nichts Besonderes aufgefallen«, fiel Nick ihr ins Wort. »Nur ein paar harmlose E-Mails, Besuche auf den üblichen Websites … nichts, was wir nicht ohnehin schon wissen. Ich habe nämlich ebenfalls mit Leo gesprochen. Er hat gesagt, dass Sie sich heute schon zweimal bei ihm gemeldet haben und gestern sogar dreimal. Ein wenig Zeit müssen Sie uns schon lassen, Riley.«
Ihr Kopf erschien in der Küchentür, und sie sah ihn mit funkelnden Augen an. »Das muss ich mir ausgerechnet von Ihnen sagen lassen? Wer hat denn am Unabhängigkeitstag von mir verlangt, dass ich mich in die Fluten des Allegheny stürze - und zwar in einem Donna-Karan-Kleid? Wer hatte es denn an dem Tag so eilig, Tucker Truett zu treffen? Und jetzt halten ausgerechnet Sie mir einen Vortrag über Geduld?«
Nick fand es an der Zeit, das Thema zu wechseln. »Ich habe heute Paulos getroffen.«
»Und?«
»Hochinteressanter Mensch.«
»Also hätte ich doch mitkommen sollen«, maulte Riley.
»Darüber haben wir doch schon gesprochen. Was glauben Sie, was Lassiter sagt, wenn Sie ständig blaumachen und einfach nicht zur Arbeit kommen?«
»Ein leitender Pathologe hat bloß achtmal im Monat Dienst«, sagte Riley, »ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin dagegen fünfmal die Woche und dazu noch jedes zweite Wochenende. Wie soll ich da überhaupt ein paar Stunden für mich selbst herausschinden? Wann kann ich denn mal wieder mitkommen?«
» Nie nehmen Sie mich mit … Immer muss ich bloß arbeiten. Dabei sind wir doch am Unabhängigkeitstag noch so toll ausgegangen.«
Ein Topfhandschuh flog aus der Küche ins
Weitere Kostenlose Bücher