Totenwache - Thriller
bekommen.«
»Für den Verkäufer sicher ein gutes Geschäft. Wie alt ist die Kiste eigentlich?«
»Über Autos zu reden finde ich langweilig. Dort drüben an der Kreuzung - wo müssen wir da abbiegen?«
»Nach links.« Riley nahm einen Schluck aus ihrem Starbucks-Becher und sah auf die Uhr: halb sechs. Und dafür opferte sie nun eines ihrer kostbaren Wochenenden? Das keuchende, ruckelnde Auto, in dem sie saß, war ihr ganz und gar nicht geheuer. Sie biss unschlüssig in das halb gegessene Croissant, das sie vor sich auf dem Schoß hatte. Dann wickelte sie es in ihre Serviette und sah Nick an. »Und was mache ich jetzt damit?«
»Abfälle bitte auf dem Rücksitz deponieren.«
Riley drehte sich um und hielt Ausschau nach einer Tüte
oder einem Müllbehälter. Der Rücksitz und der Fußboden hinten im Wagen waren mit diversen Fachbüchern, alten Zeitschriften und mit Aktenordnern zugemüllt, aus denen ganze Papierstöße hervorquollen. Außerdem lagen dort noch zwei Rucksäcke, diverse undefinierbare Kleidungsstücke und zahlreiche Plastikbehälter herum, die mit Deckeln verschlossen waren.
Riley sah Nick ratlos an. Er nahm ihr das Croissant aus der Hand und warf es achtlos nach hinten, wo es auf der Ablage landete.
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein Chaot sind?«, fragte sie.
»Sicher doch, allerdings nur ungehobelte Leute.«
Riley verschränkte die Arme vor der Brust, drängte sich in ihren Sitz und gab sich aufrichtig Mühe, möglichst jeden Kontakt mit dem Fahrzeuginnern zu vermeiden. »Wie man ein Mädchen beeindruckt, haben Sie jedenfalls voll raus«, grummelte sie.
»Ach, hören Sie auf zu jammern. Wir fahren doch gerade nach Upper St. Clair - wenn das keine Nobelgegend ist.«
Riley sah aus dem Fenster. Sooft sich in den hohen Hecken eine Lücke auftat, fiel ihr Blick auf riesige Anwesen mit manikürten Sträuchern, eleganten Brunnen und mondänen Auffahrten, die mit schwefelgrauen Natursteinplatten gepflastert waren.
»Schauen Sie mal das Haus da drüben«, sagte sie. »So was habe ich ja noch nie gesehen.«
»Echt nicht? Sind Sie denn gar nicht von hier?«
»Schön wär’s - oder vielleicht auch nicht. Ich bin ungefähr sechzig Kilometer südlich von hier aufgewachsen - in einer kleinen Bergbaustadt. Das Kaff heißt Mencken. Mein Vater war Bergmann, hat sein ganzes Leben nur geschuftet und ist dann plötzlich ganz schnell gestorben.«
»Und woran?«
Riley zuckte mit den Achseln. »So eine Kohlegrube ist eine einzige Giftküche, und das gilt auch für die Bergarbeitersiedlungen selbst. Überall nur Kohlestaub, Flugasche, Kadmium, Eisenoxid - was Sie nur wollen. Eines Tages konnte mein Vater plötzlich nicht mehr. Einen Monat später war er tot. Die Todesursache wurde nie offiziell festgestellt. Ich glaube, dass ich nicht zuletzt deswegen Pathologin geworden bin: Schließlich möchte man doch wissen, woran jemand gestorben ist, den man liebt.«
»Mencken - warum kommt mir das so bekannt vor?«
»Wahrscheinlich weil das Kohleflöz dort schon seit vierzig Jahren brennt.«
»Seit vierzig Jahren?«
»In manchen Regionen reichen die Flöze bis direkt unter die Erdoberfläche. Früher haben sich die Familien der Bergleute dort zum Heizen und Kochen selbst mit Kohle versorgt. Außerdem haben sie dort häufig ihren Müll entsorgt. Dann ist jemand auf die glänzende Idee gekommen, den Müll zu verbrennen. Dabei hat das Flöz Feuer gefangen, und seither gibt es dort einen unterirdischen Schwelbrand.«
»Absurd.«
»Solche Kohlebrände gibt es überall in Pennsylvania - allein fünf in Allegheny County. Aber in Mencken haben wir außerdem noch eine brennende Abraumhalde.«
»Eine was?«
Riley sah ihn an. »Sie sind aus Pittsburgh und wissen nicht, was das ist?«
»Meine Familie war im Stahlhandel tätig«, sagte er. »Sie wissen schon - die Carnegies und die Polchaks.«
»In einem Kohlebergwerk fällt eine Menge Abfall an - Schiefergestein, Schlacke, altes Grubenholz und solche Sachen. Früher haben die Bergleute das ganze Zeug einfach
neben dem Förderschacht deponiert. Deshalb sind diese Halden im Laufe der Zeit immer größer geworden - in Mencken ganze siebzig Meter hoch und fast achthundert Meter lang. Die Halde führt direkt hinter unserem Haus vorbei. Das Problem ist bloß: Diese Halden enthalten auch eine Menge minderwertige Kohle, und manchmal geraten sie - genau wie die Flöze selbst - irgendwie in Brand. Unsere Abraumhalde brennt schon seit Jahrzehnten.«
»Wie ein
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