Totenwache - Thriller
Lebensfunktionen werden immer schwächer - wie eine Batterie, die erschöpft ist. Meine Batterie ist schon ziemlich leer.«
»Gibt es denn in Ihrer Familie niemanden, der Ihnen helfen kann?«
»Ich habe zwar eine Schwester, aber die ist nicht mit mir kompatibel.«
Leo legte den Arm um ihre Schulter, zog sie an sich und küsste ihr Haar. »Dann verstehe ich jetzt auch, warum alles so kompliziert ist.«
»Ich glaube, Nick weiß ohnehin schon Bescheid.«
»Ja, Nick weiß, dass Sie krank sind. Als er neulich abends bei Ihnen zu Hause war, hat er in Ihrem Medizinschrank nachgesehen und dort die Medikamente entdeckt.«
Riley richtete sich kerzengerade auf. »Dazu hatte er kein Recht.«
»Wer unbefugt in fremde Häuser eindringt und Patientendateien
ausspäht, sollte über einen solchen Verstoß gnädig hinwegsehen, finden Sie nicht? Der Punkt ist doch der: Wenn ich Nick diese Liste aushändige, sieht er, dass Ihr Name dort aufgeführt ist. Das heißt, er erfährt, wie es wirklich um Ihre Gesundheit bestellt ist, Riley. Wollen Sie das?«
»Was bleibt mir denn anderes übrig?«
Leo öffnete die Mappe und entnahm ihr einen dünnen Stapel Papiere. »Da ich Ihr Freund bin und Sie liebe, biete ich Ihnen an, Ihren Namen von der Liste zu löschen.«
Riley sah ihn durchdringend an. »Würden Sie das wirklich tun?«
»Schon möglich. Aber vorher müssen Sie mir noch ein paar Fragen beantworten. Warum haben Sie sich eigentlich auf diese Geschichte eingelassen, Riley McKay? Was sind dabei Ihre Motive? Und was hat das alles damit zu tun, dass Sie selbst unbedingt eine Spenderniere brauchen?«
Riley brauchte eine Weile, bis sie ihre Gedanken geordnet hatte. »Als Lassiter sich damals geweigert hat, die Organe des Mannes zur Transplantation freizugeben, habe ich gedacht: ›Das könnten meine Nieren sein. Aber selbst wenn ich nicht die Nutznießerin bin, könnten sie jemand anderem das Leben retten.‹ Jeden Tag sterben Menschen, die auf der Warteliste stehen, Leo. Und ich selbst bin ebenfalls bald an der Reihe. Deshalb wollte ich unbedingt wissen, warum Lassiter sich so verhält. Ich konnte einfach nicht anders. Aber wohin das alles führt, habe ich natürlich nicht geahnt.« Sie sah ihm in die Augen. »Glauben Sie mir?«
»Aber natürlich«, antwortete er. »Bei Nick ist alles Denken, Denken, Denken - aber ich kann anderen Leuten direkt ins Herz blicken. Wenn Sie mich angelogen hätten, hätte ich das schon nach dem ersten Halbsatz gewusst. Und nun zu der Liste. Was soll ich damit machen?«
»Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?«
»Wenn Nick erfährt, dass Sie sterbenskrank sind, wirft er sich entweder voll an Sie ran, oder er läuft weg. So oder so, eine normale Beziehung wäre unter solchen Umständen nicht mehr möglich - und genau eine solche Beziehung wünsche ich ihm von ganzem Herzen. Vielleicht erzählen Sie es ihm irgendwann einmal selbst, Riley, aber ich möchte, dass Sie die Freiheit haben, das selbst zu entscheiden.«
Leo riss das obere Blatt in zwei Teile und legte es zurück in die Mappe.
Riley gab ihm erneut einen Kuss auf die Wange. »So etwas Nettes hat noch nie jemand für mich getan.«
Die beiden drehten sich um und sahen aus dem Fenster. Der Wagen hatte inzwischen beinahe die obere Station erreicht, die von zwei schlanken weißen Türmen mit violetten Spitzdächern flankiert wurde. Kurz bevor die Bahn anhielt, wollte Riley zur Tür gehen, doch Leo ließ ihre Hand nicht los. Deshalb drehte sie sich wieder zu ihm um.
»Keine Ahnung, ob Sie Nick heilen können«, sagte er. »Allerdings hoffe ich, dass Sie ihn wenigstens nicht verletzen.«
»Ich werde mein Bestes tun.«
»Wissen Sie, Riley, es reicht nicht aus, dass Sie Nick heilen - Nick muss auch etwas in Ihnen heilen.«
»Oh, Leo - ich weiß nicht, ob das möglich ist.«
Leo küsste ihr die Hand. »Man weiß ja nie«, sagte er. »Liebe heilt viele Wunden.«
28. Kapitel
»Da vorne nach rechts auf die 19«, sagte Riley und blickte auf den Computerausdruck, den sie vor sich auf dem Schoß hatte.
Es folgte eine lange Steigung, und Nick drückte das Gaspedal voll durch. Der Motor heulte auf und fing an zu ächzen wie ein alter Mann, der sich eine Treppe hinaufquält. Sooft einer der vier Zylinder aussetzte, entließ der Auspuff hinter ihnen in der klaren Morgenluft eine blaue Wolke.
»Nick, es gibt sogar Modellflugzeuge, die besser klingen als diese alte Kiste.«
»Aber die kosten ja auch mehr. Die Karre hier habe ich fast geschenkt
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