Totenwache - Thriller
dir, wer du bist. Ich dachte, dass wir uns wenigstens in diesem Punkt einig sind.«
Sie parkten vor den Forest Hills Apartments in der zweiten Reihe. Riley nahm die zwei schwarzen Säcke, während Nick sich die kleineren Tüten unter den Arm klemmte und den Kofferraum zumachte. Dann gingen sie durch die Vorhalle und die Treppe hinauf.
Auf der anderen Straßenseite legte Cruz Santangelo sein Fernglas auf das Armaturenbrett, kramte einen Stift aus der Jackentasche und notierte sich die Hausnummer.
29. Kapitel
»Am besten, ihr legt das Zeug gleich da drüben in der Küche auf den Boden«, sagte Leo.
Riley stellte die beiden Müllsäcke nebeneinander auf dem Linoleumbelag ab, und Nick kam mit den Plastiktüten herein.
»Ich mache noch schnell die Tür zu«, sagte Riley und ging durch das Wohnzimmer Richtung Eingang.
»Lassen Sie nur«, rief Leo ihr nach. »Bei mir ist der Zutritt immer frei - ob zu meiner Wohnung oder zu meinem Herzen. Das spart außerdem Strom.«
»Hast du etwa ein elektrisches Herz?«, fragte Nick.
Leo sah Riley an und verzog angewidert das Gesicht. »Und mit … diesem Menschen … haben Sie nun den halben Vormittag verbracht?«
»Nicht nur das. Ich bin sogar in seinem Auto mitgefahren.«
Wieder zog Leo eine Grimasse. »Wieso haben Sie die Kiste denn nicht gleich mit hochgebracht? Müll ist Müll.«
Riley sah sich in der Wohnung um. Die Eingangstür wurde von einem kleinen Stereoturm offen gehalten. Riley fragte sich, ob Leo die Tür überhaupt jemals zumachte. Auch die Fenster standen weit offen, und die Vorhänge flatterten wie große Fahnen im Sommerwind. Der Raum selbst war zwar nur spärlich möbliert, aber dafür waren die Wände komplett mit Reproduktionen italienischer Meister der Hochrenaissance vollgehängt. An der gegenüberliegenden
Wand stand ein langer Arbeitstisch, der mit Computern, Monitoren, externen Festplatten, Scannern und Geräten vollgestellt war, wie sie Riley bisher nur im Forensiklabor der Rechtsmedizin gesehen hatte. In der Mitte des Tisches hing direkt unter Tizians Himmlischer und irdischer Liebe ein Flachbildschirm an der Wand. Hinter einem 3-D-Hochleistungs-Scanner stand eine Marmorreproduktion von Michelangelos Bacchus . Der Raum war ein einziger Widerspruch in sich: ein Computerlabor in einem Kunstmuseum, die allerneueste Technik unter den wachsamen Augen der mythischen und allegorischen Gestalten der italienischen Renaissance-Malerei.
Ganz am Ende des Tisches war auf einem grauen Flachbildschirm das PharmaGen-Logo zu erkennen. Dann erschienen auf dem Monitor die PR-Bilder des Unternehmens.
»Wieso haben Sie denn die PharmaGen-Website aktiviert?«, fragte Riley.
»Die habe nicht ich aktiviert«, erwiderte Leo, »sondern Lassiter. Unsere Spyware ist so konfiguriert, dass wir in Echtzeit alles mitbekommen, was Lassiter sich gerade anschaut. Das heißt, Sie sehen gerade dasselbe wie er.«
»Das ist ja gespenstisch«, sagte Riley. »Und sonst - gibt’s etwas Neues? Ich habe mich in den letzten Tagen absichtlich nicht gemeldet. Nick war nämlich der Meinung, ich soll Sie mal ein bisschen in Ruhe lassen.«
»Das muss der gerade sagen. Wen lässt Nick denn schon mal in Ruhe? Keine Sorge. Ich schaue mir jede Stunde an, was Lassiter so auf seinem Computer anstellt. Bislang war noch nichts Interessantes für uns dabei.«
Plötzlich holte Riley tief Luft und beugte sich dann leicht vor.
»Alles in Ordnung?«
»Geht schon. Die Müllsäcke - ich hab sie drei Etagen hochgeschleppt«, sagte sie. »Eigentlich sollte ich solche Anstrengungen vermeiden.«
»Wollen Sie sich nicht lieber hinsetzen?«
»Nein danke, kein Problem. Ich bin nur ein bisschen kurzatmig.«
Nick war bereits in der Küche und betastete dort die Plastiktüten. Plötzlich rief er: »Bingo«, und gab Leo den Beutel.
Nun befingerte Leo die Tüte. »Ja, ich glaube, du hast recht.« Er legte den Beutel auf die Arbeitsfläche und schnitt ihn an der Seite vorsichtig mit einem Messer auf. Sofort drängte sich ein ganzer Wust von Papierstreifen aus der Öffnung. Leo drehte sich um und sah Nick strahlend an.
»Aber das ist doch geschreddert«, erklärte Riley. »Wozu soll das denn gut sein?«
»Schreddern ist immer gut«, sagte Leo. »Wer Dokumente schreddert, hat nämlich was zu verbergen. Am besten, wir schauen uns das mal etwas näher an.« Er griff in den Schlitz und zog vorsichtig eine Handvoll Papier heraus. »Sehen Sie das hier? Das sind ungefähr fünf Dokumente. Per Hand kann man die
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