Totenwache
lag.
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass Odd sein Boot selbst in die Luft gesprengt hat. Das hätte er niemals übers Herz gebracht. Du hast ja gesehen, wie er sich über jede kleinste Schramme aufregte. Das war doch die am besten gepflegte Yacht im ganzen Kronviken.«
»Gebe ich zu. Ich dachte an den Dackel. Ist es nicht eigentümlich, dass der überlebt hat?«
»Bei einer solch schweren Explosion kann er nicht in der Nähe des Bootes gewesen sein. Der Hund hatte ja keinerlei Verletzungen.«
Systematisch durchsuchte Erika Schränke und Schubladen, kroch auf dem Boden umher und tastete den Teppichboden im Schlafzimmer ab. Sie hob ein loses Stück hoch, das unter dem Doppelbett lag.
»Du enttäuschst mich, Odd.«
»Was hast du gefunden?«
»Herrenmagazine, um nicht zu sagen pornographische Zeitschriften, wie es im Protokoll stehen wird, und ein Foto von Rosmarie Haag im Bikini.«
»Das scheint schon vor längerer Zeit aufgenommen worden zu sein. Die Farbe ist verblasst. Wie hübsch sie war.«
»Kinderbauch!«, entgegnete Erika und betrachtete das Foto genau.
»So muss sie ausgesehen haben, als ihr Liebhaber nach Zypern fuhr. Ob sie in anderen Umständen war, als das Foto aufgenommen wurde, ist nicht zu sehen«, stellte Maria fest.
»Wer war es denn? Ich meine, ihr Liebhaber?«
»Weiß ich auch nicht. Jedenfalls nicht Clarence.«
»Er hat also einen Grund, im Nachhinein eifersüchtig zu sein?«
»Vielleicht.«
»Was meinst du denn, hat Rosmarie Clarence umgebracht?«
»Mårten Norman vergiftet und Odd Molins Boot in die Luft gesprengt, ganz abgesehen von dem Mord an dem alten Jacob Enman. Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Sie hat nicht die Kraft, nicht den Hass, der notwendig ist, um so was zu tun. Sie ist viel zu weich und eingeschüchtert. Wenn sie Clarence umgebracht hat, ist das allenfalls Totschlag. Ich glaube, sie ist der Typ, der selbst die Polizei anruft und erzählt, was sie getan hat. Aber sag das mal Ragnarsson, dann kannst du was zu hören bekommen. Er konzentriert sich ganz auf Rosmarie. Möglicherweise kann er sich vorstellen, dass sie einen Helfer gehabt hat.«
»Oder sie spielt sehr geschickt Theater«, gab Erika zu bedenken und blickte forschend auf die junge lächelnde Frau auf dem Foto. Maria sah wieder zu dem Gemälde hin, das den Raum dominierte.
»Hast du ein Vergrößerungsglas, Erika?«
»Na klar, alles was Sie brauchen, Sherlock Holmes.« Erika suchte in ihrer Tasche und überreichte Maria die Lupe. Sie stieg aufs Sofa und ging ganz nahe an das Bild heran.
»Guck mal, sieh mal hier, Erika!« Erika stieg ebenfalls aufs Sofa, ließ aber wohlerzogen ihre Schuhe auf dem Fußboden stehen.
»Wer ist das?«
»Das ist Egil Hägg. Er ist Schlosser und hat einen Sohn, der Gustav heißt. Die haben ein Fischerboot in Kronviken liegen.«
»Und was ist dabei?«, wunderte sich Erika.
»Ich bin nur überrascht, jemanden auf dem Bild zu sehen, den ich kenne. Eigenartig.«
»Da ist doch nichts dabei, wenn sie mal zusammen gesegelt sind, beide sind doch auf dem Kronviken unterwegs.«
»Nein, vielleicht hat das nichts zu bedeuten. Auf dem Bild könnten ebenso gut du oder ich sein. Wir sind ja auch mit Odd gesegelt. Das werde ich nicht vergessen, so lange ich lebe«, sagte Maria mit Nachdruck.
»Was meinst du, wo wollte Odd hin mit dem Geld und seinem Pass?«
»Die große Frage ist eher, wo befindet er sich jetzt, ohne Geld und Pass.«
»Bei diesen beiden Herren können wir nichts als selbstverständlich voraussetzen. Die können sich ebenso gut an einem unbekannten Ort aufhalten, als Tote.«
Maria ließ das Vergrößerungsglas fallen und stieg vom Sofa. Erikas Munterkeit erstaunte sie. Da klang ein falscher Unterton mit. Vielleicht war das notwendig, um nicht die Fassung zu verlieren. Etwas verlegen blickte sie auf die staubigen Abdrücke, die sie auf Odds glänzendem Ledersofa mit ihren weichen Pumps hinterlassen hatte. Beinahe konnte sie Odds Stimme hören: »Runter mit den Schuhen, verdammt. Auf meinem Deck lauft ihr barfuß.«
34
Maria Wern saß Per Trägen im Vernehmungsraum gegenüber. Der Mann befand sich in einem jämmerlichen Zustand. Hartman hatte sich auf den Schreibtisch neben das Aufnahmegerät gesetzt. Die Möblierung des Zimmers war eigentlich nicht gut durchdacht. Der Besucherstuhl stand gleich an der Tür und blockierte beinahe den Ausgang. Falls jemand, der zum Verhör geladen war, Amok laufen sollte, war man abgeschnitten, ohne Fluchtmöglichkeit. Große
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