Totenwache
Damen unsere Lanze entgegen.«
Mayonnaise demonstrierte mit aller Deutlichkeit, was damit gemeint war.
»Der Löwenritter?«
»Ich weiß im Moment nicht mehr, wie er hieß. Wir haben ihn den Löwenritter genannt. Netter Kerl!«
»Er ist nicht zusammen mit den anderen zurückgekommen, oder?«
»Nein, ich weiß nicht, wo er geblieben ist. Ich glaube, er ist wegen Rauschgiftvergehen eingesperrt worden. In der Türkei! Das hat ein Kamerad gesagt, den ich im Engelen getroffen habe. Aber das ist lange her. Warum interessiert dich das?«
»Bin einfach neugierig.«
»Ich kann jetzt nicht weiter darüber reden.« Mayonnaise machte ein Gesicht wie ein geprügelter Hund. »Ich fühl mich miserabel.«
»Das kann ich verstehen. Hast du morgen Abend Zeit, dann komm ich mal vorbei.«
»Jede Menge Zeit wahrscheinlich.« Mayonnaise trottete los und setzte sich ins Auto.
»Jetzt kommt Astrid.« Gudrun Wern schob die Spitzengardine zur Seite und lehnte sich über die Aralie am Fenster. Maria warf ebenfalls einen Blick aus dem Fenster und sah, wie ein roter Renault vor dem Haus einbog. Sie unterbrach die Zubereitung des Essens für morgen, trocknete sich die nassen Hände am Hosenboden ab und begrüßte die Frau in der Diele. Sie hatte kurze graue Haare und trug eine rote Baumwolljacke, genau wie die Frau, die Rosmarie beschrieben hatte. Maria spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Eifrig hielt sie ihr einen Kleiderbügel hin und bat die Frau dann ins Wohnzimmer.
»Hast du möglicherweise am Sonntagabend nach Mittsommer am Fischereihafen eine rothaarige Frau in deinem Auto mitgenommen?«
»Ja. Ja, das habe ich«, antwortete Astrid erstaunt.
»Weißt du, dass die Polizei nach dir sucht?«
»Nein!« Sie kriegte einen gehörigen Schreck. »Ist ihr was passiert?«
Sie setzten sich auf das Sofa im Wohnzimmer. Gudrun Werns Augen strahlten vor Begeisterung. Sie war vollkommen Ohr. Der einsame Elch lag zusammengeknüllt im Nähkorb. So interessant war es bei der Schwiegertochter lange nicht mehr gewesen. Maria merkte es, und ihre Muskeln in Schultern und im Genick verkrampften sich. Kopfschmerzen kündigten sich an.
»Erzähl mir so genau wie möglich, wie das war. Wie spät es war und so weiter.«
»Es muss ungefähr halb elf gewesen sein, als ich die Rothaarige in mein Auto einsteigen ließ. Ich habe sie beim Kräutergarten abgesetzt. Die Fahrt kann etwa eine halbe Stunde gedauert haben. Sie sah so einsam und unglücklich aus, die Arme. Ich nehme sonst nie Anhalter mit. Mach ich nicht, aber man hat ja kein Herz aus Stein. Ich habe versucht, ein bisschen mit ihr zu reden. Aber sie hat kaum geantwortet. Das war ein bisschen undankbar, wenn ich das mal so sagen darf. Es gehört sich doch, dass man antwortet, wenn man gefragt wird. Sie hat sich nicht mal bedankt.«
»Wo wolltest du denn hin, als du an dem Hafen vorbeikamst?«
»Ich wollte meine Schwester abholen, die zu einer Feier bei Familie Turesson in Björkavi war.«
»Bist du später am dem Abend auf dem gleichen Weg am Kräutergarten vorbei zurückgefahren?«
»Ja, ungefähr um zwölf. Ich fuhr langsam daran vorbei, damit meine Schwester sehen konnte, wo ich sie abgesetzt hatte, die Rothaarige. In einem Fenster im Erdgeschoss brannte Licht.«
»Hast du dort noch andere Menschen gesehen?«
»Ein Mann stieg aus einem Auto aus, oben beim Haus. Er ging hinein. Ich war beruhigt, denn da wusste ich, dass sie nicht allein war. Sie brauchte wirklich jemanden, mit dem sie reden konnte, die arme Kleine. Glücklicherweise bin ich langsam gefahren, sonst hätte ich vielleicht einen jungen Mann überfahren, der schwankend auf seinem Fahrrad quer über die Straße kam und runter zum Strand fuhr. Er hatte eine Plastiktüte in der Hand, sicher Bier. Da unten war ein Zelt aufgestellt, so ein Militärzelt. Ich hab den Bengel erkannt. Das ist Veras Enkel gewesen. Der treibt sich da unten mit seiner Clique rum und trinkt Bier, das hat Vera mir erzählt. Meine Nachbarin Vera, du weißt. Die ist darüber nicht gerade erfreut, und das sagt sie laut. Kann die Polizei die Jugendlichen nicht davon abhalten, sich da unten herumzutreiben und zu trinken?«
»Können wir jetzt gleich seine Telefonnummer haben? Das ist sehr wichtig.«
»Sag Vera bloß nicht, dass ich so was erzählt habe.« Astrid starrte verschreckt zu Gudrun, und die stimmte ihr zu. Es war nun wirklich nicht ihre Absicht, dass an die Öffentlichkeit drang, was Vera ihr vertraulich mitgeteilt hatte, geschweige denn, dass
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