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Totenwache

Totenwache

Titel: Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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es in einem Polizeibericht erwähnt wurde.
    »Mit Vera brauche ich überhaupt nicht zu sprechen. Ich möchte nur, dass der Enkel mir hilft. Er hat sich nicht verdächtig gemacht, aber er kann uns eine große Hilfe sein. Ebenso wie du es gewesen bist, indem du mir das hier erzählt hast. Eine wirklich große Hilfe.« Darauf wies Maria nachdrücklich hin, um die Frau zu beruhigen, der der rote Renault gehörte.

    Hartman wollte gerade für diese Nacht die Tür hinter sich schließen, als das Telefon klingelte. Es war Maria Wern. Sachlich und kurz zusammengefasst berichtete sie über das abendliche Gespräch mit dem jungen Mann aus dem Zelt und mit Astrid, die in dem roten Renault unterwegs gewesen war. Veras Enkel hatte am Strand unterhalb des Kräutergartens das ganze Mittsommerwochenende bis zum Montag wild gezeltet. Vom Sonntagabend an hatten sie bis vier Uhr morgens draußen am Feuer gesessen und sich Sportsendungen angehört. Ebenso wie Astrid war ihm der blaue BMW aufgefallen, der um Mitternacht herum zu dem Haus abgebogen war. Danach hatten sie aus dem rosa Haus die ganze Nacht über nichts mehr gesehen oder gehört. Die Lampe im Fenster war ausgeschaltet worden, nachdem der Mann nach Hause gekommen war. Um sechs herum war der Junge zum Pinkeln aus dem Zelt gekommen, da hatte das Auto immer noch dagestanden.
    »Eigentlich hätte das auch bis morgen Zeit gehabt. Das war etwas übereifrig«, entschuldigte sich Maria.
    »Es ist gut, dass du angerufen hast«, widersprach Hartman. »Rosmarie Haag hat also ein Alibi, bis auf die Zeit von vier Uhr bis sechs Uhr. Um fünf rum am Montagmorgen war Hägg mit seinen Leuten am Strand. Da lag Jacob bereits in der Stellung über dem Tisch, in der man ihn später fand. Dass Rosmarie und Clarence zwischen vier und fünf zwei Morde begangen haben können und es dann ungesehen bis nach Hause geschafft haben, halte ich für ausgeschlossen. Ich bin erleichtert, weil das auch meine Ansicht war, und zugleich macht es mir Sorgen, denn damit stehen wir wieder am Anfang. Danke, dass du angerufen hast. Ich sage Ragnarsson Bescheid.«

    Maria hockte sich in der vierbeinigen blauen Badewanne hin und duschte. Dann kroch sie ins Bett. Irgendwann in der Zukunft konnten sie sich vielleicht eine Duschkabine leisten. Aber eigentlich war das gar nicht nötig. Vieles von dem, ohne das man nicht auszukommen glaubte, kann man ohne große Probleme entbehren, wenn man dazu gezwungen wird. Krister würde sicher auf sich warten lassen. Auch wenn Mayonnaise keine größeren Möbel zu transportieren hatte, würde er moralische Unterstützung bis in die frühen Morgenstunden brauchen. Humpe sprang aufs Bett und wanderte auf Kristers Decke auf und ab. Er schlich wie ein Löwe und schlug nach einer Fliege, die sich kurz auf dem Kopfkissen niedergelassen hatte, ehe er es sich an Marias Füßen schnurrend bequem machte. Da fiel Maria ein, dass sie vergessen hatte, Hartman zu sagen, was Mayonnaise über den Löwenritter erzählt hatte. Aber zu dieser späten Stunde konnte sie ihn nun wirklich nicht noch einmal anrufen. Das musste bis morgen warten. Jetzt brauchte sie ihren Schlaf. Maria schloss hoffnungsvoll ihre Augen, aber die Gedanken an die Fahndung in diesen Mordfallen ließen ihr keine Ruhe. Die Nacht war warm. Maria schob die Decke mit den Füßen auf den Boden und sehnte sich nach kühlen Dezembernächten.

    Das Mondlicht tanzte zwischen den Zweigen des Apfelbaumes und blinkte im schwarzen Wasser des Baches in vielen dunklen Spiegeln und gebrochenen Bildern. Seine Schritte waren schwer von der Bürde, die er trug, schwer von der Todessehnsucht. Was war sein Leben wert gewesen? Wer hätte mit ihm tauschen wollen? Ständige Plage und Ungewissheit. Erniedrigung, aber nicht ohne Hoffnung auf Genugtuung. Das Wort Gerechtigkeit mochte er nicht in den Mund nehmen, das war für ihn eine Nummer zu groß. Aber stets mit dem Gedanken an Rache hatte er überlebt. Wenn alles vollbracht war, würde er den letzten Schritt über die Grenze machen, dorthin, wo die Wellen einschlafen und die Fragen für immer ihren Sinn verlieren.
    Eine kurze Sekunde lang hatte er das Paradies zu schmecken bekommen, einen Augenblick nur, damit er verstehen würde, welches Leben er verloren hatte. Hätte er sich in sein Schicksal ergeben sollen? Sich mit weniger begnügen, als sich an seinen Peinigern zu rächen? Der Gedanke widerte ihn ebenso an wie der Kadaver, den er in der weißen Wanne der Genossenschaftsschlachterei vor sich her

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