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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Vorsichtsmaßnahmen traf.
    Ich stand auf und wollte zum Fenster gehen, blieb aber mit dem linken Fuß am Teppich hängen und wurde daran erinnert, dass ich mir vor fünf Tagen schon wieder den Fuß verstaucht hatte. Es war auf der Treppe passiert, als ich zwei Stufen auf einmal nehmen wollte und dabei umgeknickt war. Ich setzte mich deshalb wieder hin, begrub das Gesicht in den Händen und versuchte mich auf die guten Gedanken zu konzentrieren. Trotzdem waren es die hasserfüllten Gedanken, die mich jetzt überwältigten. Mein Knöchel pochte dumpf und schmerzhaft. Ich nahm eine Paracetamol aus dem Glas, das vor mir stand, und spülte sie mit kaltem Kaffee hinunter. Dann versuchte ich mich erneut an den guten Gedanken, musste aber aufgeben und kam schließlich zu dem Schluss, dass die weniger guten die richtigen sein mussten. Ich rief Maximilian zurück und sagte, dass ich persönlich kommen wollte, um mir die Sache anzusehen.
    Danach suchte ich Nkem und fand sie schließlich im Labor.
    »Er ist in Deutschland. Ich fahre hin.«
    »Wer?«
    »Larry Tang Mortensen.«
    »Und was hat das mit dir zu tun?«
    »
C’mon
. Das habe ich dir doch erklärt.« Sie wusste alles über meine Schlaflosigkeit, und ich hatte ihr auch erzählt, an was ich dachte, wenn ich nicht schlafen konnte.
    »Überlass das doch der Polizei.«
    »Die werfen ihn ja doch nur ins Gefängnis.«
    »Ja, und?«
    »Das ist viel zu gut für ihn.« Ich sah wieder Carsten mit seinem eingeschlagenen Schädel vor mir. Auch er war viel zu glimpflich davongekommen.
    »Sag mal, tickst du noch ganz richtig?«, flüsterte Nkem und ließ mich nicht aus den Augen, wobei sie langsam den Kopf schüttelte. »Das eine sind Worte, das andere aber …«
    »Ein guter Freund aus Schulzeiten hat einmal zu mir gesagt, dass ein Bumerang immer wieder zurückkommt.« Ich starrte zu Boden, um ihrem anhaltenden Blick auszuweichen. »Wenn Larry bloß ins Gefängnis kommt, wer soll denn dann seinen Bumerang auffangen, wenn er zurückkommt?«
    Als ich die Treppe hinauflief, beschloss ich, das Auto zu nehmen. Der noch immer leicht verstauchte Fuß war der Kupplungsfuß, er tat noch ein kleines bisschen weh, aber wie oft musste man auf der Autobahn schon kuppeln? Außerdem konnte ich ja noch immer eine Paracetamol nehmen, wenn er zu sehr schmerzte.
    Schwer würde es nicht werden. Ich wusste ja, wo ich nach ihm suchen musste. Das sechzehnjährige Mädchen hatte sich kurz vorher das Handgelenk gebrochen.
    Nkem verfolgte mich weiter mit ihrem besorgten Blick, und ihre schwarze Haut wirkte mit einem Mal aschgrau. Dann stand sie auf, kam zu mir, legte ihre Arme um meine Schultern und drückte ihren Mund an mein Ohr. »
Oyinbo «
, flüsterte sie mir zu.
    Igbo war eine Sprache ohne Geschlechter. Ein Oyinbo war ein weißer Mann oder eine weiße Frau, aber in Nkems persönlichem Dialekt hatte das Wort noch eine ganz besondere Bedeutung, die mich nun, wie ich es schon lange befürchtet hatte, mit einschloss. Ein Oyinbo zu sein hieß, nicht mehr richtig zu ticken, nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben. Sie trat einen Schritt zurück und sah mich noch einmal an, sagte aber nichts mehr, was mich verletzte. Jetzt würde sie wieder für mich beten. Aber das war ganz in Ordnung, solange sie dabei nur auf meine Katze aufpasste.

FREIBURG, OKTOBER 2009
     

29
     
     
    Auf dem Weg Richtung Deutschland fuhr ich bei Großvater in Rødekro vorbei. Der Geruch der Schweine hing noch immer in der Luft, aber außer Großvater und einer kleinen grauen Katze war kein lebendes Wesen auf dem großen, rot angestrichenen Hof zu sehen. Ich wollte nur kurz Hallo sagen, dabei allerdings auch einen Blick auf die Jagdflinte werfen, die draußen in der Scheune hing – obwohl ich ja keine Ahnung von diesen Dingern hatte.
    In Großvaters eiskaltem Schlafzimmer öffnete ich rasch die oberste Kommodenschublade und nahm die Handschellen aus dem Zweiten Weltkrieg heraus, die er dort aufbewahrte. Als Kind hatte ich in all den endlosen Sommern, die ich bei ihm und Großmutter verbracht hatte, viel damit gespielt. Sie funktionierten noch wie geschmiert, als wären sie gerade erst aus der Fabrik gekommen. Ich verstaute sie in einem Gefrierbeutel, knotete diesen zu und steckte ihn diskret in meine Tasche. Großvater saß auf seinem wackeligen Stuhl in der Küche und lauschte dem lokalen Radiosender. Im Grunde hatte ich nur seinen Rat befolgt:
Wenn man nicht um Erlaubnis bittet, riskiert man auch nicht, dass die Antwort Nein

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