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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Angst mir dieser Mann einjagte. Was hätte ich antworten sollen, hätte er mich gefragt, warum ich wissen wollte, in welcher Notaufnahme das Mädchen gewesen war? Schließlich hatte ich ihm gerade erst versichert, kein persönliches Interesse an dem Fall zu haben.
    Aber eigentlich war es egal, und so gab ich im Navi die Adresse des St. Christophskrankenhauses ein. Es stand nicht nur ganz obenauf meiner Liste, sondern war auch ganz in der Nähe. Ich wendete den Wagen.
    Natürlich hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, was ich tun wollte, wenn ich Larry Tang Mortensen gefunden hatte. Er durfte mich nicht erkennen. Meine Lesebrille lag neben den Zigaretten und dem Mineralwasser im Handschuhfach, aber die Brille allein reichte als Tarnung nicht aus. Plan A lief darauf hinaus, mich an den Empfang zu wenden, ihnen ein Bild von Mortensen zu zeigen und zu fragen, ob dieser Däne dort arbeitete. Sollte das der Fall sein, wollte ich den Betreffenden bitten, Mortensens Adresse auf ein Kuvert zu schreiben, das ich mir in einer Tankstelle unweit von Kassel besorgt und frankiert hatte. Ich würde die internationale Zahlungsanweisung über tausend Euro aus dem Umschlag ziehen, die ich meine Bank hatte ausstellen lassen, und sagen, dass ich ihm endlich meine Schulden zurückzahlen müsse und mir nur noch seine Adresse fehle. Würde ich seine Adresse bekommen? Würde jemand am Schalter einer Notaufnahme so ohne weiteres Namen und Adresse eines Kollegen preisgeben? Bestimmt nicht. Außerdem würde dieser Plan nur dann funktionieren, wenn Mortensen nicht im Haus war. Was sollte ich tun, wenn sie mich baten, einen Moment Platz zu nehmen und auf ihn zu warten? Er durfte mich dort nicht sehen und erkennen. Einen konkreten Plan B hatte ich nicht. Nur vage Ideen. So hatte ich darüber nachgedacht, in der Ambulanz anzurufen und nach ihm zu fragen, aber zum einen konnte er einen anderen Namen benutzen – die Auskunft hatte in Freiburg jedenfalls keinen Larry Tang Mortensen finden können – und zum anderen wäre es fatal, wenn er erfuhr, dass eine Frau mit dänischem Akzent nach ihm gefragt hatte. Mein Deutsch war zwar dank all der Sommer bei Großvater mit deutschem Fernsehen und seinen deutschen Freunden recht gut, aber den Akzent hörte man trotzdem deutlich.
    Eines nach dem anderen, dachte ich und folgte den Anweisungen des Navi zum St. Christophskrankenhaus, wo ich auf den beleuchtetenParkplatz vor der Notaufnahme fuhr und gleich einen Schock bekam: Da war er. Ich sah ihn, als das Licht meiner Scheinwerfer über den Eingang der Notaufnahme schweifte. Mein Körper zuckte augenblicklich zusammen. Angst. Ich parkte, schaltete mit zitternden Händen den Motor aus und vergaß zu atmen. Es war, als riefe sein Anblick in meinem Körper alle Erinnerungen an jene Nacht im Munke Mose wieder wach, so dass sich alle Schmerzen, die ich damals gespürt hatte, wieder zurückmeldeten, wie bei einem amputierten Bein, das immer noch wehtat. Die Bilder in meinem Kopf prasselten auf mich ein: Emilies schiefes Lächeln, Larrys Gesicht, Carsten Bjerres zerschmetterter Schädel, der Lichtkegel im Dunkel des Munke Mose. Dann die Stimme:
Sie!
Ich senkte den Kopf und versuchte langsam zu atmen. Dann richtete ich mich auf, warf kurz einen Blick in den Rückspiegel und tastete nach einer Zigarette. Er stand groß und unförmig mit ein paar anderen weiß gekleideten Männern vor dem Eingang in dem grellen Neonlicht und rauchte. Selbst trug er keinen Kittel, sondern Jeans und Pullover, über seinem Arm lag ein Mantel. Entweder war er gerade erst gekommen oder er war auf dem Weg nach Hause. Wenn er gerade erst gekommen war, musste ich irgendwie in Erfahrung bringen, wann seine Schicht zu Ende ging, doch gerade, als ich mir die nächste Lüge ausdenken wollte, sah ich ihn die Zigarette wegwerfen und den Mantel anziehen. Er ging schräg über den Parkplatz und trat dann auf den Bürgersteig. Ich bekam Panik und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Was sollte ich jetzt tun? Mit dem Auto konnte ich ihn nicht beschatten, das würde er sofort bemerken. Ihm zu Fuß zu folgen, das traute ich mich nicht. Im Grunde war das jetzt der richtige Moment für Plan A, um am Empfang seine Adresse herauszubekommen. Aber auch das konnte nach hinten losgehen.
    Während ich nachdachte, band ich meine Haare zu einem kleinen, festen Knoten zusammen und streifte in Windeseile meine letzten Besorgungen über: eine Baskenmütze, die ich jetzt zum ersten Malaus der Einkaufstüte

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