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Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Totenzimmer: Thriller (German Edition)

Titel: Totenzimmer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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jede einzelne von ihnen, sprach die Ergebnisse ins Diktiergerät und spürte dabei meine Müdigkeit wie eine langsam aufkeimende Grippe. Der kleine John hatte nun die Kamera übernommen und machte Fotos von allen Stellen, die ich ihm zeigte. An den Oberarmen fielen lediglich die schmalen, roten Druckstellen auf, die Unterarme waren frei von irgendwelchen Merkmalen. Im Schulterbereich entdeckte ich dafür gleich mehrere Schnitt- und Stichwunden.
    »Das hier scheinen mir doch Abwehrläsionen zu sein, das konnte ich heute Nacht noch nicht richtig erkennen«, sagte ich und zeigte auf die Schultern. »Sie scheint sich weggedreht zu haben, um ihreBrust und ihren Bauch vor dem Messer zu schützen.« Ich zuckte förmlich zusammen, als plötzlich ein höchst unwillkommenes Bild in meinem Kopf aufflackerte. Langsam atmete ich ein paar Mal tief ein und aus, ehe ich mich den nagellosen Fingern und dann den Zehen widmete. Die Fußnägel waren noch intakt, auf ihnen waren Reste eines roten Nagellacks zu erkennen. Die Beine waren unverletzt. Insgesamt konnte ich sechsundfünfzig Läsionen feststellen, aus denen so viel Blut ausgetreten sein musste, dass dies auch ohne weitere innere Verletzungen zum Tod geführt haben konnte.
    Als ich nach dem Einmalmesser griff, um mit der Untersuchung der inneren Organe zu beginnen, warf Poul mir wieder den üblichen Blick zu. Das Öffnen der Leichen war nämlich eigentlich sein Job. Trotzdem übernahm ich diese Aufgabe lieber selbst. Poul missfiel das sehr, auch wenn er nichts sagte. Mein anderer Kollege Mickey ging besser damit um. Er spielte in diesen Situationen immer den Beleidigten und versuchte (vergeblich), meine Arbeit zu kritisieren. Von meinem Handwerk hatte ich immerhin ebenso viel Ahnung wie die beiden Techniker und legte großen Wert darauf, immer im Training zu bleiben. Sollten wir irgendwann einmal auf Grönland obduzieren müssen, würde sicherlich niemand den Leichnam für uns öffnen, und ich hasste den Gedanken, aufgrund mangelnder Übung schlechte Arbeit zu leisten. Heute aber spürte ich einen Widerwillen in mir, der schon an Übelkeit grenzte, so dass ich kurz davor war, Poul diese Aufgabe zu überlassen. Normalerweise hatte ich immer das richtige Gespür, wenn es um das Öffnen der Körper ging. Das war totes Fleisch, jede Leiche hatte die ganz besondere Aura eines entseelten Körpers. Wäre das nicht der Fall, hätte ich niemals Rechtsmedizinerin werden können. Mit Emilie war das anders. Bei ihr handelte es sich nicht bloß um eine Leiche, sondern um neunzehn Jahre meines Lebens, und nie zuvor waren mir diese Jahre lebendiger erschienen. Ich sah sie an und wusste, dass sie tot war, und doch fühlte es sich so an, als müsse sie nun ein weiteres Malsterben. Wenn die Klinge sich erst durch das Gewebe bohrte und die darunterliegende Bauchhöhle öffnete, wenn wir die Organe erst entnommen und zur Inspektion bereitgelegt hatten, war definitiv Schluss. Ein unbekannter Täter hatte sie bereits gequält und entstellt, doch jetzt sollten Poul und ich dieser Schändung noch die Krone aufsetzen. Wenn wir fertig waren, würden sich andere auf sie stürzen, sie in die Schlagzeilen bringen und in ihrem kurzen, jungen Leben nach irgendwelchen Fehlern oder Vergehen suchen. Ich sollte nicht hier sein, ich sollte das hier nicht tun, ich sollte sagen, wie es war, nämlich, dass ich es nicht konnte. Dass ich nicht dazu in der Lage war. Aber ebenso wenig könnte ich es ertragen, wenn ein anderer diese Arbeit tat. Ich rang mit mir selbst, und meine innere Stimme fauchte:
Das ist die Tochter einer anderen Frau, du hast keine Tochter, Emilie ist nicht dein Kind. Reiß dich zusammen!
Ich spürte, dass alle Augen auf mir ruhten, und als ich schluckte, dröhnte es in meinen Ohren. Es musste jetzt sein, jetzt, oder ich musste gehen.
    Mit dem Messer in der rechten Hand beugte ich mich über Emilies Körper und verspürte den unwiderstehlichen Drang, sie dort zu küssen, wo der Täter ihr dieses seltsam schräge Lächeln verpasst hatte. Dann atmete ich tief durch und machte einen langen, geraden Schnitt vom oberen Rand des Brustkorbs bis zur Schambeinfuge. Ich zog die Haut zur Seite und entblößte die inneren Organe. Ich hielt die Luft an, doch als ich mit einer kräftigen Schere die Rippen durchtrennen wollte, wurde mir schwarz vor den Augen. Leise wimmernd beugte ich mich vor und blieb in dieser Position stehen, bis ich eine Hand auf jeder Schulter spürte, fest, aber auch voller

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