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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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er dort die Antwort. »Vor Jahren ist hier im Sommer ein Mädchen verschwunden«, sagte Winter. »Aus dem Sommerlager in Sandviksdalen.«
    »Ja, daran erinnere ich mich.«
    »War es der Sommer?«
    »Wie bitte?«
    »Ist Richardsson in demselben Sommer von der Insel verschwunden? Das war 1975. Ist er damals abgehauen?«
    »1975? Das könnte sein. Ich kann mich nicht genau erinnern. Aber Sie können ja andere fragen. Es gibt Leute, die haben ein besseres Gedächtnis als ich.«
    Winter nickte. Er brauchte nicht zu fragen. Er wusste es schon. Etwas ist passiert, und Jan Richardsson hat nie mehr zurückgeblickt, hat nie mehr nach Westen geschaut. Young men gone east. »Dahinten ruhen Henry und Lina«, sagte Hjelm. »Seine Eltern. Soll ich Ihnen das Grab zeigen?«
    Richardssons Elternhaus lag unter zwei alten Eichen. Das Holzhaus war ziemlich groß und in einem verwahrlosten Zustand, wie so viele Häuser am Husviksvägen. Es lag an der Kreuzung der Bönekällan, wenn man es denn Kreuzung nennen konnte. Die Bönekällan war mehr ein Pfad, der auf den Berg hinaufführte, einer der höchsten Punkte der Insel.
    Winter betrachtete das Haus. Bis 1997 hatten Henry und Lina hier gelebt. Eine Jahreszahl, die wiederkehrte. Nachdem Winter einen Blick auf Richardssons Familiengrab geworfen hatte, war er in einen anderen Teil des Friedhofs gegangen. Wann war er zuletzt an Mats' Grab gewesen? Er suchte es immer seltener auf. Auf dem Grab standen frische Blumen. Mats hatte viele Freunde gehabt. Mehrere waren in jenen Jahren gestorben, doch einige lebten noch. Winter wusste nicht, wie die Blumen hießen, aber sie waren schön.
    Jetzt ging er am Haus vorbei und ein Stück die Bönekällan entlang. Der Hinterhof des vernachlässigten Holzhauses war voller Kinderspielzeug: ein Trampolin, eine Rutsche, Schaukeln, Bagger. Das Haus war lebendig geworden. Jan Richardsson war Einzelkind gewesen. Hatte es zu seiner Zeit Leben im Haus gegeben? Bin ich ihm begegnet?, dachte Winter plötzlich. Damals. Als ich hier war. Als Mats für kurze Zeit hier wohnte. Ich kann mich nicht erinnern. Seltsam, dass ich ausgerechnet aus dieser Zeit so wenige Erinnerungen habe. Ich habe immer ein gutes Gedächtnis gehabt, aber jener Sommer ist verschwunden. Es ist, als hätte es ihn gar nicht gegeben. Am Hügel kehrte Winter um. Ich will mich nicht erinnern. *
    Er fuhr über die Älvsborgsbrücke und bog nach Torslanda ab. Die Wasserspeicher von Arendal glommen dumpf in der Dämmerung. Sie kam jetzt schnell. Die Tage des Altweibersommers waren kurz, aber sie wollten nicht loslassen.
    Bergenhems Reihenhaus wirkte düster im Schatten. Doch der Eindruck wurde wohl nur durch Winters Gemütslage hervorgerufen. Das Haus unterschied sich nicht von den anderen Reihenhäusern. Wann war er zuletzt hier gewesen? Er konnte sich nicht erinnern. Er war noch nie hier gewesen.
    Martina öffnete die Haustür, bevor er sie erreichte.
    1997 war ihr Mann eine Zeitlang verschwunden gewesen. Sie hatten geglaubt, er sei tot. Martina hatte Ada zur Welt gebracht, ohne zu wissen, ob der Vater ihres Kindes noch lebte. Angela war da gewesen. Bergenhem hatte überlebt.
    »Erik«, sagte Martina und umarmte ihn. »Martina.«
    »Komm herein.«
    Ihre Stimme hatte überrascht geklungen, als er sie angerufen hatte. Mit ihm hatte sie nicht gerechnet. Er fühlte sich schuldig. Auch er trug einen Teil der Schuld. Lars hatte sich in den letzten Jahren zurückgezogen und war mit sich selbst und der Arbeit beschäftigt gewesen.
    »Ada ist bei meiner Mutter«, sagte sie, während sie noch in der Tür standen.
    »Sind Ferien?«, fragte er. Was für eine dämliche Frage.
    »Nein. Aber sie wollte zu ihren Großeltern. Eine Woche, etwas weniger als eine Woche. Und sie geht bei ihnen in Backa zur Schule. Mein Vater fährt sie hin.«
    Winter nickte. Das war viel Information. Sie hatte sich wegen der dämlichen Frage gezwungen gefühlt, ihn so genau zu informieren.
    »Hast du mit Lars gesprochen?« »Wann? Worüber?«
    »Darüber, was werden soll.«
    »Was soll schon werden? Er ist ausgezogen.« »Wollen wir ... hineingehen?«
    »Ja, entschuldige bitte. Tritt ein.«
    Sie führte ihn in die Küche und setzte sich an den Tisch.
    »Ich hab leider keinen Kaffee im Haus«, sagte sie. »Ich dachte, es sei noch welcher da. Als du angerufen hast, hatte ich einfach keine Kraft, einkaufen zu gehen,«
    »Vergiss den Kaffee«, sagte Winter. Er setzte sich ihr gegenüber.
    Plötzlich wusste er nicht, was er sagen sollte. Nein,

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