Toter Mann
nahegestanden?«
»Dem steht niemand nahe, Erik. Er scheint niemanden zu mögen.«
»Warum nicht?«
»Die Gesellschaft ist natürlich schuld. Seine Familie ist schlecht behandelt worden von der Gesellschaft, und nun rächt er sich.« »Hat er das gesagt?«
»Ja.«
»Einfach so?«
»Ganz genau. Er scheint sogar stolz darauf zu sein.«
»Stolz darauf, kriminell zu sein«, sagte Winter. Er dachte an Benny Vennerhag. Fahrrad-Benny, Protzvilla-Benny. »Ja. Noch einmal: Er weiß, dass wir wissen.« »Hat er ein Büro?«
»Meines Wissens pflegt er im Hotel 11 in Eriksberg Hof zu halten.«
»Okay.«
»Er wohnt in der Nähe. Styrfarten, genauer gesagt Styrfarten 20. Leider bin ich dort noch nie eingeladen gewesen.«
»Du könntest dich doch selber einladen.«
»Schon verlockend. Allerdings waren wir mehrmals kurz vor einem Zugriff, und tja, da konnten wir kein Risiko eingehen.« »Abhöraktion ?«
»Was glaubst du denn?« »Ja, und?«
»Er ist aalglatt, wie gesagt. Ausgebufft. Er hat viele Telefone. Benutzt Telefone von anderen, auch Satellitentelefone. Oder er telefoniert wochenlang gar nicht.«
»Habt ihr ihn beschattet?«
»Manchmal. Immer harmlose Treffen. Aber die Leute, die er trifft, sind nicht gerade harmlos.«
»Hast du eine Liste?«
»Mit wem er sich getroffen hat? Ja, so gut wir sie identifizieren konnten.«
»Darf ich die mal sehen?« »Klar.«
»Weißt du, wo er sich im Augenblick aufhält? Ist er in der Stadt?« »Warum interessierst du dich eigentlich so für ihn?«
»Sein Name taucht verschiedentlich auf. Auch bei uns.«
»Was Besonderes?«
»Es geht um den Mord an Bengt Sellberg.«
»Stimmt, nach ihm habt ihr euch ja auch bei uns erkundigt. Fehlanzeige, wir haben nichts.«
»Schon, aber Lejon hat etwas damit zu tun.«
»Lejon soll wirklich in diesen Mord verwickelt sein? Das klingt gar nicht nach ihm. Der geht keine Risiken ein.« »Diesmal war er vielleicht bereit dazu.« »Warum?«
»Ich glaube, es dreht sich um eine Privatangelegenheit«, sagte Winter.
»Aha?«
»Dann ist man eher bereit, Risiken einzugehen.« »Mag sein.«
»Könnte es etwas geben, das ich über Lejon wissen müsste? Etwas, das außerhalb von seiner uns bekannten Vita liegt.« »Wie meinst du das?«
»Etwas Persönliches, Privates. Etwas, das er für sich behält, wenn er kann.«
»Willst du ihn besuchen?« »Ich glaube, ja.«
»Tja ... was Privates ... Er scheint nicht mit seinem Schwanz zu denken. Er nimmt kein Rauschgift und säuft nicht übermäßig. Er spielt nicht, scheint Humor zu haben, den er allerdings in Schach hält. Er legt sich nicht mit Nachbarn an.« »Das muss ja ein Heiliger sein.«
»Offenbar hat er manchmal Kopfschmerzen. Das hat den Ganoven wohl einige Male Schwierigkeiten bereitet. Geschäfte mussten abgebrochen werden.«
»Kopfschmerzen?«
»Migräne. Schwere Migräne.«
Halders und Bergenhem betraten gemeinsam das Polizeigebäude. Am Empfang tummelte sich das übliche Gesindel, eine Mischung aus Juristen, Dieben und Unschuldigen.
Sie gingen durch die Sperrzone und warteten vor dem Lift. Drei Polizisten, die Halders flüchtig kannte, stiegen aus. »Halders, hallo.«
»Hallo, Matte.«
Matte lächelte. Die Namen der anderen bei den fielen Halders nicht ein. Der eine hatte sich ein breites Grinsen ins Gesicht geklebt. Er murmelte seinem Kollegen etwas zu, das Halders nicht verstehen konnte. Sie waren noch jung. Der Grinser war eins neunzig groß und grinste schon wieder.
»Gibt's was zu lachen?«, fragte Halders.
Der Grinser schüttelte den Kopf. Er strich sich über den Mund, es gelang ihm jedoch nicht, das Grinsen ganz wegzuwischen. »Nun sagt endlich, was so verdammt witzig ist!«
Matte sah plötzlich besorgt aus. Er kannte Halders.
»Es geht nicht um Sie«, sagte der Kollege des Grinsers.
»Nicht um mich, toll, vielen Dank. Um wen geht es denn?« Die Blicke der drei wanderten wie automatisch zu Bergenhem. »Macht ihr euch über Lars lustig?«
»Wir fahren jetzt, Fredrik«, sagte Bergenhem und drückte auf den Knopf. Die Tür hatte sich inzwischen wieder geschlossen.
Der Grinser murmelte etwas. Jetzt verstand Halders, was er sagte, und er sah, dass auch Lars es gehört hatte. Die Lifttür glitt auf, Lars war auf dem Weg hinein. In seinen Augen war etwas, das Halders noch nie gesehen hatte. Das war keine Trauer, keine Angst. Es war Erschütterung. Fräulein Lars, hatte der Grinser gesagt. Fräulein Lars.
Halders' Faust traf ihn direkt in den Unterleib. Er sah, wie alle
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