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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Uhr lief sie Brännö Rödsten an. Diese Insel hat mein Leben übernommen, dachte er. Es hat eine Zeit gegeben, da war der Tanz auf dem Anleger sehr wichtig für ihn gewesen.
    Er folgte dem Rödstensvägen in westlicher Richtung. Richardsson war in einem Haus am Husviksvägen aufgewachsen. Das Haus gehörte jetzt anderen Leuten. Winter bog von der Straße ab und ging zum Friedhof hinauf. Er sah sich um. Etwa fünfzig Meter entfernt grub ein Mann neben einer Steinmauer in der Erde. Der Totengräber. Er arbeitete konzentriert. Winter spazierte zwischen den Gräbern umher. Die meisten waren schlicht, als gäbe das Leben der Verstorbenen nichts her, womit man sich brüsten konnte. In anderen Ländern kündeten monumentale Grabbauten vom Tod. Der Tod war wichtiger als das Leben, größer als das Leben. Den Tod hatte es gegeben, bevor wir kamen, ihn würde es weiterhin geben, wenn es uns nicht mehr gibt. Ewigkeit, der Tod war Ewigkeit. In Ewigkeit, Amen.
    In dem ewig strahlenden Sonnenschein schaute der Mann blinzelnd auf. Er sah aus wie ein treuer Diener, das passte gut zu einer Kirche. Vielleicht hatte er die ganze Bevölkerung des Ortes begraben, einen nach dem anderen. Aber im Augenblick grub er kein Grab. Er drehte die Erde in einem Beet von unten nach oben. Pflanzung im späten Oktober. Oder er grub einfach nur um. Im Gras lagen Rosen, die wie Blutflecken aussahen.
    Winter stellte sich vor.
    Der Mann nickte, ohne seinen Namen zu nennen. »Hier ist es schön«, sagte Winter, »so ruhig.«
    »Es ist die Ruhestätte der Toten«, sagte der Mann. Er sprach wie ein Pastor, ein Pastor der Schären. Die Wörter rumpelten wie Steinblöcke. Vielleicht war es der Pastor. Es sind seine Rosen. »Und wie heißen Sie?«, fragte Winter.
    »Boris Hjelm. Ich bin hier Kirchendiener.« »Ich suche Jan Richardsson«, sagte Winter.
    Boris Hjelm antwortete nicht. Er schaute auf seinen Spaten.
    Dann blickte er über den Friedhof. Wenn das jetzt ein Bilderrätsel ist, dann verstehe ich es, dachte Winter. Spaten. Gräber. Er hat ein Mitglied der Familie Richardsson begraben.
    »Er stammt doch von hier«, sagte Winter. »Welchen Richardsson meinen Sie?«
    Hjelm war einen Schritt näher gekommen und wandte Winter seine rechte Gesichtshälfte zu. Sein gutes Ohr. Er ist taub. Winter beugte sich ein wenig vor.
    »Jan Richardsson. Er ist Gemeinderat in Göteborg. Ein Politiker. Als er jung war, hat er hier gewohnt.«
    Hjelm nickte. Er hatte es verstanden.
    »Haben Sie ihn gesehen?«, fragte Winter. »Haben Sie ihn kürzlich gesehen?«
    »Nein, nein. Er ist schon lange nicht mehr hier gewesen.« Hjelm drehte den Kopf und sah Winter an. »Warum fragen Sie nach ihm?« »Reine Routine. Ich muss mit ihm sprechen.«
    »Er wohnt doch in der Stadt«, sagte Hjelm. »Das hab ich jedenfalls gehört.«
    »Ja, aber wir suchen ihn.«
    »Ist er abgehauen? Sind Sie deswegen auf Brännö? Suchen Sie nach ihm?« »Warum sollte er abgehauen sein?«
    Hjelm warf wieder einen Blick über den Friedhof. »Wahrscheinlich ist es so«, sagte er. »Er haut ab und kommt nicht wieder.«
    Hjelm redete von etwas anderem. Von einer anderen Zeit. »Ist er nie wieder hergekommen?«, fragte Winter.
    »Er war einfach weg.« Hjelm wies über den Friedhof. »Dahinten liegen seine Eltern. Von hier aus kann man das Grab nicht sehen, aber dort liegen sie. Und er ist nicht mal auf ihrer Beerdigung gewesen!«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein. Es war, als wäre er ... selber tot. Schrecklich, wenn man so was sagen muss. Aber so kam es mir vor. Und andere fanden das auch.«
    Winter nickte.
    »Was hat er getan?«, fragte Hjelm. Jetzt schien er keine Probleme mehr mit dem Gehör zu haben. Sein Gesicht hatte eine andere Farbe angenommen, und zwar nicht von der Sonne.
    »Ich möchte mit ihm reden«, sagte Winter. »Aber er ist verschwunden.«
    »Das hab ich doch gesagt.«
    »Ich dachte, dass er sich vielleicht auf der Insel aufhält.« »Auf der Insel? Bestimmt nicht! Warum sollte er?« »Warum sollte er nicht?«, fragte Winter.
    »Wie bitte?«
    »Warum sollte er nicht herkommen?«, wiederholte Winter. Hjelm antwortete nicht.
    »Aus welchem Grund hat er die Insel verlassen? Er hatte offenbar beschlossen, nie mehr wiederzukommen.« »Ich weiß es nicht.«
    »Wann war das?«
    »Wie bitte?«
    »Wann hat er die Insel verlassen? In welchem Jahr?«
    »Daran ... kann ich mich nicht erinnern. Es war in einem Sommer, glaube ich. Es ist schon viele Jahre her.« Hjelm schaute in den Himmel, zur Sonne, als suchte

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