Toter Mann
nicht sollte.
Was man am besten in dieser, der schlimmsten aller Situationen sagte. Er konnte Lars nicht verteidigen, ihn nicht verurteilen. Er konnte sich nur Sorgen um ihn machen, und um sie, um ihre Familie.
»Ich habe Angst, dass ihm etwas passiert«, sagte sie. »Was sollte ihm passieren?«
»Vielleicht begeht er eine Dummheit.« Sie sah Winter an. »Er ... ich weiß nicht, wo er ist. Was er macht. Er hat heute Nachmittag nicht angerufen, wie er es mir versprochen hatte. Er hat auch Ada nicht angerufen.«
»Worüber wolltet ihr reden?« »Er wollte nur anrufen.«
»Telefoniert ihr jeden Tag miteinander?«
»Nein.« Plötzlich sah sie wütend aus. Als hätte er etwas gesagt, das er nicht hätte sagen sollen. »Glaubst du, er ist jetzt glücklich? Glaubt ihr das im Dezernat? Das ist er nicht. Er ist nicht glücklich.« »Das Wort gefällt mir nicht«, sagte Winter. »Glücklich. Ich glaube nicht an Glück.« »Ich habe immer daran geglaubt«, sagte sie. »Wenn man das nicht tut, kann man gleich einpacken.«
Winter parkte vor Ademars Haus. Er meinte den Schriftsteller hinter einem Fenster gesehen zu haben. Etwas hatte sich bewegt.
Aber auf sein Klingeln wurde nicht geöffnet. Er klingelte mehrere Male, ging zurück zur Vorderseite und klopfte an ein Fenster. Eine halbe Minute später öffnete Ademar das Fenster. Er hatte ein sehr blaues Auge.
»Was ist passiert?«, fragte Winter.
»Ich bin in der Küche gefallen. Ich war betrunken.« »Warum haben Sie nicht aufgemacht?«
»Ich habe nichts gehört. Ich war auf der Toilette.« »Sind Sie noch immer betrunken?«
»Nein.«
»Lassen Sie mich bitte herein.«
Winter kehrte zur Haustür zurück. Ademar öffnete. Jede Bewegung schien ihm schwerzufallen. Die eine Hälfte seines Körpers wirkte mehr oder weniger gelähmt.
»Das muss ja ein verdammt heftiger Sturz gewesen sein«, sagte Winter. »Sieht sogar nach mehreren Stürzen aus.«
»So war es.«
»Dabei haben Sie sich mehrmals um Ihre eigene Achse gedreht.«
»Ich vertrage eben keinen Alkohol.« »Wer hat das getan?«
»Ich ganz allein. Manchmal tue ich mir selbst nicht gut.« »Derjenige, der Ihnen das angetan hat, kann Ihnen nichts Gutes wollen. Wirklich nicht. Was ist passiert?«
Ademar antwortete nicht. Er humpelte durch die Diele. Winter folgte ihm.
Im Arbeitszimmer war der Computer angeschaltet. Das graue Licht mischte sich mit dem goldenen Sonnenschein von draußen. »Schreiben können Sie offenbar«, sagte Winter.
»Es wird nichts«, sagte Ademar.
»Wie meinen Sie das?« »Es wird kein Buch geben.«
»Sie können es doch nicht einfach so hinschmeißen. Genauso wenig, wie ich meine Ermittlungen einstellen kann.« »Das ist ein Unterschied.«
»Ich sehe da keinen Unterschied.«
»Jedenfalls werde ich nicht mehr schreiben.«
Ademar ließ sich auf seinen Bürostuhl sinken. Er warf einen Blick auf den Bildschirm. Sein Blick war genauso leer wie der Schirm.
»Wo ist das Manuskript?«, fragte Winter. Er machte eine Kopfbewegung Richtung Schreibtisch, der bis auf den Computer leer war.
»Welches Manuskript?«
»Spielen Sie verdammt noch mal nicht den Dummen! Als ich kürzlich hier war, hat dort ein Manuskript gelegen.« Winter zeigte auf die Tischplatte. »Jetzt liegt es nicht mehr da.«
»Sie merken auch alles.«
»Wo ist es?«
Ademar antwortete nicht. »Wem haben Sie es gegeben?«
»Warum sind Sie gekommen?«, fragte Ademar. »Wem haben Sie das Manuskript gegeben?!«
»Das bedeutet nichts«, sagte Ademar. »Es spielt keine Rolle, wer es hat.«
»Ich glaube aber doch«, sagte Winter. »Es bedeutet eine Menge für Ihr Buch. Vielleicht alles. Sie werden nicht aufhören zu schreiben. Im Gegenteil, Sie wissen jetzt mehr als vorher. Wer ist bei Ihnen gewesen? Das bedeutet auch für mich eine Menge. Wenn Sie mehr wissen, muss ich es ebenfalls erfahren.« Winter machte einen Schritt auf ihn zu. »Verstehen Sie das nicht, Herr Ademar? Ich bin ein Teil Ihres Buches! Ohne mich können Sie es nicht beenden! Sie müssen mir alles erzählen. Wenn Sie es nicht tun, können Sie nicht weitermachen. Ich vielleicht auch nicht. Wir rühren uns nicht von der Stelle, solange Sie es mir nicht erzählt haben. Ich werde dieses Zimmer nicht eher verlassen. Die ganze Geschichte endet hier und jetzt.« »Sind Sie verrückt geworden?«
»Wer war es? Wer hat Sie misshandelt?«
»Sagen Sie mir erst, warum Sie gekommen sind.«
Winter machte noch einen Schritt vorwärts. Jetzt war er so nah, dass er erkennen
Weitere Kostenlose Bücher