Toter Mann
Polizeibeamte. Er war in Winters Alter.
Winter nickte und kehrte zum Mercedes zurück.
»Ich fürchte, wir müssen die alten Leute wecken«, sagte er. Sie überquerten die Straße. Die Klingel hatte einen unnötig lauten Ton.
Nach einigen Minuten ging im oberen Stockwerk Licht an. Ein Fenster wurde mit einem kratzenden Geräusch geöffnet. Winter sah verschwommen ein Gesicht.
»Was ist?« Es war die Stimme eines alten Mannes. Sie kratzte und knarrte wie eben das Fenster. »Was wollen Sie?«
»Polizei«, sagte Winter. »Wir möchten mit Ihnen sprechen.« »Jetzt? Polizei? Was ... was ist los? Können Sie nicht morgen wiederkommen? Wir sind schon im Bett. Wir haben geschlafen.« Der alte Mann machte eine Pause. Winter hörte eine andere Stimme aus dem Zimmer. »Meiner Frau geht es nicht gut.«
»Nein, wir müssen jetzt mit Ihnen sprechen. Entschuldigen Sie, aber würden Sie bitte herunterkommen und die Tür öffnen.«
Das Gesicht verschwand.
Sie warteten auf der kleinen Betontreppe. Der Garten war sehr klein. Der Streifenwagen parkte im Schatten auf der anderen Straßenseite, eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass der Sohn Schutz bei seinen alten Eltern suchte. Schutz vor was? Winter legte eine Hand auf seine SIG Sauer. Er wusste, dass auch Ringmar bereit war.
In der Diele ging Licht an. Es fiel durch die Milchglasscheibe der Haustür, die langsam geöffnet wurde.
Der Mann hatte einen Morgenmantel übergezogen. Er schien aus dem vorvorigen Jahrhundert zu stammen und musste sich auf einen Stock stützen. Seine noch vollen Haare waren kreideweiß.
Vielleicht sah sein Sohn ihm ähnlich. Im Moment konnte Winter sich nicht an Roger Edwards' Gesicht erinnern. Da war auch noch etwas anderes. Eine andere Person. Ein Gesicht, das in Sekundenschnelle vor seinem inneren Auge vorbeizog. Wer war das? Jetzt war es weg.
»Ja ... dann kommen Sie bitte herein«, sagte der Mann. Winter stellte sich vor.
»Karl Edwards«, sagte der Alte.
Winter drückte ihm die Hand. Sie war kühl und fest. Ringmar begrüßte ihn ebenfalls.
»Meine Frau ist nicht ganz auf dem Damm ... muss sie auch dabei sein?«
»Ich glaube nicht«, sagte Winter. Sie standen in der Diele.
»Worum geht es?«, fragte Edwards. Er war groß, als junger Mann musste er richtig groß gewesen sein. Sein Sohn war nicht so hochgewachsen.
»Können wir uns irgendwo setzen?«, sagte Winter.
»Ja, bitte.« Edwards führte sie ins Wohnzimmer. Die Stehlampe war bereits eingeschaltet. »Bitte, setzen Sie sich.«
Winter und Ringmar nahmen Platz. Karl Edwards blieb stehen.
Winter stand wieder auf.
»Wann haben Sie zuletzt von Ihrem Sohn gehört, Herr Edwards?«
»Von meinem Sohn ... meinem Sohn? Meinen Sie Roger?« »Haben Sie mehrere Söhne?«
»Äh ... nein. Nur Roger.«
»Wann haben Sie zuletzt von ihm gehört?«
»Daran kann ich mich nicht genau erinnern. Ich habe manchmal Probleme mit dem Gedächtnis. Boel kann sich besser erinnern. Das ist meine Frau, Boel.«
»Haben Sie ihn in dieser Woche gesehen?«, fragte Ringmar. »Können Sie sich daran erinnern, Herr Edwards?«
»Nein, diese Woche nicht, da bin ich mir sicher. Es ist länger her, vielleicht einen Monat.«
»Würden Sie bitte Ihre Frau fragen?« »Jetzt?« »Ja, bitte.«
Edwards nickte und verließ das Zimmer, gestützt auf seinen Stock. Winter hörte ihn die Treppe hinaufgehen. Der Stock schlug gegen das Holz, als würde Edwards drei Schritte machen.
Sie warteten. Irgendwo im Zimmer tickte eine Uhr. Winter entdeckte sie an der Wand hinter Ringmar. Sie zeigte Viertel nach zwölf. Es war Sonntag geworden. Winter hörte die Schritte wieder die Treppe herunterkommen. Edwards betrat das Zimmer.
»Es war letzte Woche«, sagte er. »Freitag vor einer Woche.« »Haben Sie mit ihm gesprochen, Herr Edwards?«
»Ja.« »Worüber?«
»Daran ... kann ich mich nicht erinnern. Es war nichts Besonderes.«
Wir müssen wohl doch die Frau aus dem Bett holen, dachte Winter.
»Er wollte umziehen«, sagte Edwards. »Daran erinnere ich mich.«
»Ach? Hat er gesagt, wohin?«
»Ich glaube nach Stockholm. Ja, Stockholm. Er hat sich dort um einen Job beworben. Ich weiß nicht, ob er ihn gekriegt hat. Er ist Architekt.«
Winter nickte.
»Warum fragen Sie nach Roger?«, fragte Edwards. »Ist etwas passiert?«
»Wir möchten Kontakt zu ihm aufnehmen«, sagte Winter. »Wir müssen uns mit ihm unterhalten.«
»Sind Sie bei ihm zu Hause gewesen? In Långedrag? Da wohnt er. Oder ist er schon
Weitere Kostenlose Bücher