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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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plötzlich erloschen zu sein.
    »Wo ist sie, Frau Richardsson? Wo ist Beatrice?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.« Sie sah Winter wieder an. »Mehr weiß ich nicht. Ich weiß nur, was mir erzählt wurde. Es war dieser Sellberg. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich weiß nicht, warum.«
    »War er allein?«
    »Reicht es jetzt nicht? Haben Sie nicht genug erfahren?«
    Von oben hörten sie wieder Stimmen, diesmal lauter. Sie wollten es wissen. Bald würden Tova und Erik herunterkommen. Es war die letzte Stunde. Für Berit Richardsson war es die letzte Nacht mit den Kindern. Eine weitere Tragödie in Winters Spuren. Eigentlich müsste er sie eingehender nach der Rolle ihres Mannes in Beatrices Leben fragen, oder besser gesagt, wie er mit ihrem Tod in Verbindung stand, aber er brachte es im Augenblick nicht übers Herz.
    Er hörte Schritte auf der Treppe.
    »Was haben Sie mit der Pistole gemacht?«, fragte er.
    »Ich habe sie Roger zurückgegeben«, antwortete sie und erhob sich.
    22:45
    Das Wasser war nicht kalt, das nicht. Sie fror trotzdem. Sie merkte, dass sie zitterte.
    Er stand neben ihr im Wasser.
    »Wollen wir um die Wette schwimmen?«, fragte er. Inzwischen hatte sie furchtbare Angst.
    Mit seinem Lächeln stimmte etwas nicht.
    Die Jungen waren vor ihr her und hinter ihr gegangen, als würden sie sie bewachen. Als wäre sie eine Gefangene, eine echte Gefangene. Nicht wie im Lager. Es handelte sich um etwas viel Wirklicheres, viel Schrecklicheres. Es war schrecklich. Niemand sagte ein Wort.
    Sie hatten den Anleger erreicht, der so groß wie eine Tanzfläche war. Auf der Bühne stand eine schwarze Box, vielleicht ein vergessener Lautsprecher. Gestern hatte hier ein Tanzabend stattgefunden, die Musik war bis ins Lager zu hören gewesen. Fast alle Bewohner von Brännö hatten sich hier versammelt, aber den Kindern aus dem Lager war es verboten, hierherzugehen, allen, den Kleinen und den Großen. Es hätte sicher Spaß gemacht, einmal beim Tanz auf dem Anleger von Brännö zuzuschauen. Wenn nur eine der Aufseherinnen mitgekommen wäre. Nur einige Minuten, eine halbe Stunde vielleicht.
    Er, der im Boot hinter ihr gesessen hatte, hatte sie plötzlich gepackt und auf die Tanzfläche gezogen.
    »Jetzt tanzen wir«, hatte er gesagt und sie einige Runden herumgewirbelt. »Kann ich nicht gut tanzen?«
    Er hatte gelacht.
    Sie hatte Alkohol in seinem Atem gerochen. Das war ihr vorher nicht aufgefallen. Der Wind über dem Meer hatte alle Gerüche weggeblasen, nur der Geruch nach Salz war geblieben.
    Sie hatte versucht, sich loszureißen. »Wollen wir rauf zum Liebespfad?«
    Er packte ihre Handgelenke fester. Es tat weh. »Auaaa! Lass mich los!«
    Er hatte sie nicht losgelassen. »Lass mich los! Lass los!«
    Sie hatte versucht, ihn gegen das Schienbein zu treten. Sie hatte Angst, aber sie wollte sich befreien. Es war schlimmer, festgehalten zu werden, als Angst zu haben.
    Er hatte losgelassen. Und gelacht.
    Jetzt sagte er etwas. Sie verstand es nicht. In ihren Ohren dröhnte es. Das war die Angst. In ihrem Kopf dröhnte es wie bei einem Sturm.
    »Wollen wir um die Wette tauchen?«, sagte er. »Um die Wette ... tauchen?«
    »Wer es am längsten unter Wasser aushält. Wir können alle zusammen um die Wette tauchen.«
    »Iiii ... ch wwww ... ill nicht.«
    Sie merkte, wie ihre Zähne klapperten. Ein Seevogel stieß einen langgezogenen Schrei aus. Es klang, als würde die Möwe über sie lachen.
    »Das machen wir!«, sagte er. »Aber du musst erst deinen Badeanzug ausziehen.«
    »Ww ... was?«
    »Unter Wasser braucht man doch keinen Badeanzug, oder?«

43
    Winter hörte die leisen Stimmen aus dem Wohnzimmer. Jedenfalls klangen sie leise. Dort drinnen wartete Berit Richardsson mit ihren Kindern. Tova und Erik. Der Junge hatte ihm einen raschen Blick zugeworfen, als er vorbeigegangen war.
    Winter und Ringmar warteten in der Küche. Innerhalb weniger Minuten würde die Streife von Winters Dezernat hier sein und die Frau festnehmen. Das bedeutete, sie würden sie von hier wegbringen. Jemand vom Jugendamt würde bei den Kindern bleiben. Draußen war es immer noch Nacht, noch eine Stunde, dann würde es hell werden. Im Wohnzimmer weinte jemand.
    »Nun kommt schon, verdammt noch mal«, sagte Ringmar. Endlich sah Winter die Scheinwerfer vor dem Haus. Er stand auf.
    Winter hatte den Motor auf dem Parkplatz vor dem Präsidium abgeschaltet. Sie schwiegen. Auf der Skånegatan fuhr ein Bus vorbei. Der letzte in dieser Nacht

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