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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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hatte, obwohl er noch daran schrieb, so wie man irgendetwas in ein Gästebuch kritzelt und dann ist die Peinlichkeit vorbei. Ein fast totes Buch, oder ein ganz lebendiges. Er wusste es nicht mehr.
    Er blieb am Fenster stehen.
    Vor dem Nachbarhaus hielt ein Auto. Konnte dasselbe sein wie letztes Mal. Eine Tür wurde geöffnet. Er konnte nichts sehen. Er meinte, Schritte zu hören. Herrje, hier stehe ich schon wieder.
    Vollkommen normale Geräusche werden zu Geräuscheffekten in einem Thriller.
    Jemand lief, Absätze auf dem Schotter. Türen wurden zugeschlagen. Das Auto wurde gestartet. Das konnte er sehen. Es fuhr an seinem Fenster vorbei, wendete, kam zurück. Verschwand. Er hatte das Profil des Fahrers gesehen. War es ein Profil, das er kannte?
    Es existierte irgendwo in einer fernen Erinnerung.
    Das Wohnzimmer wurde nur von einer Stehlampe erleuchtet. Sie stand beim Panoramafenster, das zum hinteren Teil des Gartens hinausging. Zehn Meter entfernt sah Winter eine Hecke. Das Haus war geschützt, von Hecken umgeben. Das war nicht ungewöhnlich in Örgryte. Viele lebten wie in kleinen Königreichen, in ihren Burgen, Burghöfen. Es war ein anderes Schweden. Das war nicht Schweden.
    Das geräumige Zimmer schien den größeren Teil des Erdgeschosses einzunehmen. Die Frau saß auf dem äußersten Rand eines dreisitzigen Sofas. Sie sieht aus wie ein kleiner Vogel, dachte Winter. Sie krümmte sich in ihrem Morgenmantel zusammen, als ob sie frieren würde. Jetzt war der Morgen angebrochen. Draußen zog die Morgendämmerung herauf. Vielleicht hatte der Zeitungsbote schon die Göteborgs-Posten in den Briefkasten geworfen. Winter hätte sie mit hereinbringen können, eine freundliche Geste. Noch würde der Mord an Sellberg nicht in der Zeitung stehen. Später am Tag würde etwas im Netz zu lesen sein, aber nicht viel. Winter hatte noch immer Sellbergs Kopf auf der Netzhaut, sein entstelltes Gesicht, in dem es keinen Ausdruck des Staunens gab. Das hatte Winter verblüfft.
    Während sie ins Wohnzimmer gingen, hatte sie ihren Namen genannt: Berit Richardsson. Kein Name, den man sofort mit dem Stadtteil Örgryte verband, aber sie hatten sich vermutlich heraufgearbeitet. Vielleicht hatte alles in einer Wohnung in Högsbo angefangen. Ihr Mann ein ehrgeiziger Freizeitpolitiker, sie eine hoffnungsvolle Krankenschwester. Irgendwie so etwas in der Art. Möglicherweise würde Winter es erfahren, es wissen müssen. Berit Richardsson rang die Hände. Das war ein abgegriffener Ausdruck, aber genau das tat sie.
    »Wann haben Sie Ihren Mann zuletzt gesehen?«, fragte Winter. »Ge ... gestern.« Sie schaute sich im Zimmer um, als wollte sie feststellen, dass es nicht mehr Abend war, nicht einmal mehr Nacht. Vor den Fenstern trat das Grün hervor. Draußen war es sehr grün. Die Farbe glitt in den Morgen hinein. Es wirkte beruhigend. Winter hatte gelesen, dass Grün die beruhigendste Farbe ist. Man sollte sein Schlafzimmer grün tapezieren. Das hatte er Angela erzählt. Sie hatte genickt. Eines Tages würde er das tun. Aber die Frau vor ihm, die das zunehmende Grün vor dem Fenster eingehend zu betrachten schien, war nicht ruhig. Als Winter ihrem Blick folgte, kam es ihm vor, als hätte das Grün eine künstliche Nuance bekommen, weshalb es unecht wirkte.
    »Sie haben Ihren Mann gestern zuletzt getroffen?«, fragte Ringmar. Die Frage klang sonderbar. Als hätten Berit und Jan Richardsson ein Verhältnis besonderer Art und würden sich nur ab und zu treffen, vielleicht in diesem Zimmer.
    Sie nickte.
    »Wann?«, fragte Winter.
    Sie antwortete nicht. Winter wiederholte die Frage. Irgendetwas ist komisch, dachte er. Die Situation ist seltsam.
    Als würden wir von jemandem sprechen, den keiner von uns kennt, sie genauso wenig wie ich. Diesen Ausdruck habe ich schon öfter in den Augen von Menschen gesehen, die nur glauben, mit jemandem zusammenzuleben. Aber es ist nicht so und ist nie so gewesen.
    »Gegen neun«, antwortete sie schließlich. »Was ist passiert?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ihr Mann war gestern Abend um neun zu Hause. Was ist dann passiert?«
    »Er ist weggegangen. Wie soll ich wissen ...« »Wohin ist er gegangen?«
    Sie schwieg.
    »Wohin wollte er?«, fragte Ringmar.
    »Ich ... ich weiß es nicht.« Sie brach in Tränen aus und legte ihr Gesicht in die Hände. Sie schaute auf. »Was ist passiert?«, fragte sie. »Wo ist er?«
    »Wir wissen es nicht«, sagte Winter.
    »Aber warum sind Sie dann hier? Woher wussten Sie ...« Berit

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