Toter Mann
Richardsson brach ab.
»Woher wissen wir was?«, fragte Winter.
»Dass mein Mann nicht hier ist.«
»Wie hat er das Haus verlassen?«, fragte Ringmar. »Ich verstehe Sie nicht.«
»Ist er gegangen? Gelaufen? Hat er das Auto genommen?« »Nein ... das ist noch da.«
»Es ist noch da?!«
Sie zuckte zusammen, als Winter die Stimme erhob. »Ja«, sagte sie.
»Das Auto ist hier? Wo?«
»In der Garage. Aber wa ... ja, es ist eigentlich mein Auto. Es ist ein Zweitwagen.« »Ein Zweitwagen?«
»Ein Clio. Den fahre meistens ich.« »Und der Erstwagen?«
»Das ist ein Yolvo Y70. Der ist nicht ... er ist zur Inspektion.« Ringmar wechselte einen Blick mit Winter.
»Nein«, sagte Winter, »er ist nicht zur Inspektion.«
»Ach?« Aber sie sah nicht erstaunt aus.
»Kennen Sie eine Person mit Namen Bengt Sellberg?« »Mama? Was ist los, Mama?«
Winter hatte Schritte hinter sich gehört, bevor er die Stimme vernahm. Eine Kinderstimme. Er drehte sich um.
Ein Mädchen mit einem Kissen unter dem Arm stand an der Tür. Es sah verschlafen aus. Und ängstlich. Es war einige Jahre älter als Elsa, vielleicht zehn, elf, zwölf. Winter hatte kein gutes Schätzungsvermögen, was diese Altersgruppe betraf. Das Mädchen trug einen Pyjama, der blau wie ein blasser Himmel war. Winterhimmel, dachte Winter.
»Was ist los, Mama? Was wollen die?«
Berit Richardsson erhob sich. Ihr Morgenmantel war fest zugebunden um die Taille. Er sah aus wie ein Kimono. Sie war dunkelhaarig, und plötzlich kamen Winter ihre Züge asiatisch vor, ihre Augen wirkten geschlitzt. Das konnte von der angespannten Haut herrühren. Oder der angespannten Seele.
»Die Herren ... wollen nur ein paar Fragen stellen, Tova«, sagte sie und ging zu dem Mädchen. »Komm, wir gehen wieder in dein Zimmer.«
»Was wollen die?« Das Mädchen sah Winter an. »Was wollen Sie?«
Ihre Mutter drehte sich um, und Winter sah den veränderten, erstaunten Ausdruck in ihrem Gesicht. Sie hatten immer noch nicht gesagt, warum sie gekommen waren.
»Wo ist Papa?«, fragte das Mädchen. »Ist Papa nicht zu Hause?« »Ich bring dich nach oben«, sagte Berit Richardsson und nahm das Mädchen bei der Hand.
»Aber sie ...«
»Komm jetzt, Tova.« Die Frau legte dem Mädchen einen Arm um die Schultern und führte es zur Tür hinaus.
Winter und Ringmar hörten sie eine Treppe hinaufgehen. »Ahnt sie etwas?«, fragte Ringmar leise.
»Ich weiß es nicht«, sagte Winter.
»Ich meine von dem Mord.«
»Sie wusste, dass jemand kommen würde«, sagte Winter. »Wie meinst du das?«
»Sie war auf und hat gewartet. Die ganze Nacht, da bin ich mir sicher. Sie hat gewartet, dass jemand kommen würde.« »Ihr Mann.«
Winter antwortete nicht. »Wer denn sonst?«
Er hörte Geräusche von oben. Der Fußboden des Mädchenzimmers. Winter meinte Stimmen zu hören.
»Vielleicht ist es nicht das erste Mal, dass unser Politiker die Nacht über weggeblieben ist«, sagte Ringmar.
»Warum hat er ihr vorgelogen, dass das Auto zur Inspektion ist?«
»Vielleicht hat sie uns angelogen.«
Sie hörten wieder Schritte auf der Treppe.
Berit Richardsson kehrte ins Zimmer zurück. Winter sah, dass sie Hausschuhe angezogen hatte. Als sie ihnen die Tür geöffnet hatte, war sie barfuß gewesen.
»Würden Sie bitte gehen?«, sagte sie. »Jetzt ist auch mein Sohn wach geworden.«
»Nur noch ein paar Fragen.« Ringmar hatte sich erhoben. »Aber was wollen Sie? Wo ist mein Mann? Wenn Sie etwas wissen, dann sagen Sie es mir.«
»Ihr Auto ist in einem Parkhaus im Zentrum gefunden worden«, sagte Winter. »Darin saß ein Mann namens Bengt Sellberg. Er ist erschossen worden. Er saß auf dem Fahrersitz, jemand hat ihn erschossen und sich dann vom Tatort entfernt.«
Berit Richardsson sah ihn mit einem Blick an, als ob sie ihn verstanden und gleichzeitig nicht verstanden hätte. Es waren brutale Worte, aber Winter meinte, sie ihr irgend wie schuldig zu sein. »Ist er ... ist er tot?«
»Ja.«
Sie schlug eine Hand vor den Mund.
»Glauben Sie ... glauben Sie, dass mein ... Mann etwas damit ... zu tun hat?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Winter. »Wir wissen gar nichts. Aber es ist auf jeden Fall klar, dass es Ihr Volvo ist, und wir wollten uns gern mit Ihrem Mann unterhalten.«
»Er hat nichts damit zu tun! Was sollte er damit zu tun haben?!« Ihre Stimme wurde lauter. Vorher war sie leise gewesen, fast dunkel. Winter sah, dass Müdigkeit und Sorge oder was es nun war, sie ihre Ruhe gekostet hatten. Er stand
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