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Toter Mann

Toter Mann

Titel: Toter Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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plötzlich an die Palme im Garten seiner Mutter in Nueva Andalucia denken. Die Palme hatte er immer gemocht. Das Rasenstück war nicht groß und manchmal eher gelb als grün, aber die Palme stand für etwas anderes, für ewigen Sommer und ewige Sonne. Manche Menschen entscheiden sich für ein derartiges Leben. Er hatte es für eine begrenzte Zeit getan. Er konnte es wiederholen. An der Auffahrt zu den Fähren der Stena Line nach Dänemark standen Palmen in Töpfen, aber das war nicht ganz dasselbe. Palmen musste man in seinem Garten haben.
    Das Licht hinter dem Fenster war schwach, aber zu erkennen.
    Winter meinte eine Bewegung wahrzunehmen. »Wir werden beobachtet«, sagte er.
    »Ich sehe es.«
    Die Tür wurde schon geöffnet, bevor sie sie erreicht hatten. Während sie die steinerne Treppe hinaufstiegen, wartete die Frau in der offenen Tür. Sie trug einen roten Morgenmantel. Winter konnte die Farbe deutlich sehen, weil das Licht in der Diele hinter der Frau stark genug war. Sie scheint keine Angst zu haben, dachte er. Ist das nicht sonderbar? Sie sieht eher besorgt aus. Sie hat heute Nacht nicht geschlafen.
    »Was wollen Sie?« Ihre Stimme klang dünn und trotzdem laut, als stellte sie eine Frage, auf die sie gar keine Antwort haben wollte. Sie öffnet dem Unbekannten die Tür, dachte Winter. Den Unbekannten. Zwei fremde Männer in ihrem Garten. Sie muss gewusst haben, dass wir kommen. Nein, sie hat nicht geschlafen. Man lernt, so etwas zu erkennen.
    »Geht es um Jan?«, fragte sie.
    Winter und Ringmar hatten bisher noch kein Wort gesagt. Winter sah, dass ihre Hand zitterte, als sie sie hob, anscheinend ohne Grund, als hätte sie Flügel bekommen. O Gott, man hat ja das Gefühl, eine Todesnachricht zu überbringen. Das tun wir doch nur indirekt. Oder bedeutet für sie die Nachricht etwas anderes? Bedeutet der Name Bengt Sellberg etwas für sie?
    Diese unangenehme Seite gehörte zu ihrem verdammten Job.
    Einen Menschen, den sie vor sich hatten, mit Blicken abzutasten, bevor er kaum ein Wort gesagt, kaum eine Bewegung gemacht hatte. Später war es schwer, sich von diesem ersten Eindruck zu lösen, manchmal unmöglich. Eine vorgefasste Meinung konnte mehr schaden als nutzen. Aber wie stellte man es an, Menschen jedes Mal so zu begegnen, als würde man sie zum ersten Mal treffen? Noch hast du ein sauberes Gewissen, eine saubere Seele.
    Winter stellte sich und Ringmar vor. Es erschien ihm seltsam formell.
    Die Frau zitterte wieder, und diesmal zitterte nicht nur ihre Hand.
    »Was ist ihm passiert?«, fragte sie, ohne einen Namen zu nennen. »Wo ist er?«
    »Wen meinen Sie?«, fragte Ringmar zurück.
    »Jan natürlich! Meinen Mann! Sind Sie nicht seinetwegen hier? Sie sind doch von der Polizei? Sie müssen einen Grund haben!« Winter und Ringmar sahen sich an.
    »Vielleicht sollten wir hineingehen und uns eine Weile unterhalten«, sagte Winter.
    »Was?«
    Sie schien die Frage nicht gehört zu haben. »Dürfen wir hereinkommen?«
    Jacob Ademar schlief unruhig. Die Träume kamen und gingen wie verschwommene Erinnerungen. Vielleicht waren sie genau das. Einige Male hatte er erwogen, eine Art Roman zu schreiben, in dem sich alles im Traum abspielte oder in einer Reihe von Träumen, doch dann würden sich die wenigen Leser, die er noch hatte, wahrscheinlich in Rauch auflösen. Gab es etwas Langweiligeres als Leute, die ihre Träume erzählten? Manche Leser fanden seine Bücher vielleicht langweilig. Aber das war ihm egal. Dann mach was anderes! Er wollte glauben, dass Leute, die etwas von guten Büchern verstanden, seine Bücher mochten, die anderen kapierten sowieso nichts und konnten von ihm aus dahin gehen, wo der Pfeffer wächst.
    Er stand auf. Tagesgrauen mischte sich mit Dunkelheit und weichte die Schwärze auf. So konnte man es ausdrücken. Man konnte auch sagen, dass sich die Welt zu einem neuen verdammten Tag aufrappelte, je nachdem, welcher Laune man war. Seine eigene Laune hielt er für ausgewogen - er war ständig wütend. Vielleicht hatte das nur etwas mit Romantik zu tun. Wütender junger Mann. Aber wenn man die fünfzig überschritten hatte, wirkte man nicht mehr so charmant als wütender junger Mann. Eigentlich hatte er keinen besonderen Grund, wütend zu sein. Allerdings ebenso wenig einen Grund zum Glücklichsein. Er besaß nicht viel. Im Augenblick nur dieses gemietete Haus, das er bald verlassen würde, einen alten Saab in einem Parkhaus und ein Buch, das er vielleicht schon seinem Schicksal überlassen

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