Toter Mann
Parkdecks mussten mindestens bis zum morgigen Vormittag abgesperrt bleiben. Es gab viele Fragen zu stellen.
»Ich lasse den Wagen mit der Leiche in unsere Untersuchungshalle abschleppen«, sagte Öberg.
Winter nickte. Richardssans Auto mit dem toten Sellberg würde auf einem abgedeckten Laster dorthin gebracht werden, eskortiert von der Polizei wie ein bizarres Ehrengeleit bei einer Beerdigung.
Das Licht fühlte sich fast kalt auf der Haut an. Winter schauderte. Öberg und seine Männer hatten viel Arbeit vor sich. Sie würden sich beide Parkdecks vornehmen, ganz besonders das obere. Sie würden alles akribisch absuchen. Alles konnte von Bedeutung sein. Sie würden Kautabak, Kippen, Papier, alles untersuchen.
Sie würden Verhaltensweisen suchen. Gewöhnliches Verhalten. Etwas, das jemand immer tat, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen, unabhängig von den Umständen. Das kannte jeder Fahnder. Viele Fälle waren dank der Gewohnheiten von Leuten gelöst worden. Menschen waren Gewohnheitstiere, auch böse, ängstliche oder verschreckte Menschen.
Sie nahmen Winters Mercedes. Die Nacht war noch lange nicht zu Ende. Es würde Stunden dauern, bis es hell wurde. In einigen Monaten würde die dunkelste Jahreszeit hereinbrechen, und die Zeit verging schnell. Wir reisen der Dunkelheit entgegen, dachte Winter. Es war ein melodramatischer Gedanke, aber er stimmte. Sie begegneten einem einsamen Taxi, das vielleicht auf dem Weg zum Flughafen Landvetter war. Sonst war es still und dunkel.
»In the wee wee hours«, sagte Ringmar. »Hm.«
»Eigentlich gefällt es mir, vor allen anderen wach zu sein.« »Besonders, wenn wir dabei sind, jemanden zu wecken«, sagte Winter.
»Wenn er nicht schon wach ist.« »Wenn er überhaupt zu Hause ist.«
Richardssons Haus lag in einer ruhigen Straße hinter dem Ekmanska-Krankenhaus in Örgryte. Winter wusste das, weil er einmal vor langer Zeit dort spazieren gegangen war, vielleicht mit Angela. Ja, sie hatte gesagt, sie könnten doch hier ein Haus kaufen. Da hatten sie das Grundstück in Billdal noch nicht erworben. Er dachte selten an das Meeresgrundstück in Billdal. Er schob es vor sich her. Es war ein langer Abschied von der Stadt. Falls es ein Abschied war.
»Jetzt müssen wir unsere Sache richtig gut machen«, sagte Ringmar.
»Wir machen unsere Sache immer richtig gut, Bertil«, sagte Winter und bog vom Danska vägen ab.
»Wollen wir ihn sofort mitnehmen? Das wäre auch richtig gut.«
»Wir werden sehen.«
»Es wäre das Einfachste.«
»Wir werden sehen«, wiederholte Winter.
»Die erste Frage, die ich mir stelle, ist die, warum Sellberg Richardssons Auto hatte.«
»Ich habe ja gestern mit Richardsson gesprochen. Er hat mir erzählt, dass er Sellberg sein Auto geliehen hat. Sellbergs Auto war anscheinend in der Werkstatt.«
»Haben wir das überprüft?«
»Ja. Bergenhem hat es bestätigt bekommen.« »Okay, erzähl weiter.«
»Da gibt's nicht viel mehr zu erzählen. Er ist nicht in Sellbergs Haus gewesen, hat er gesagt. Er hat ihm nur das Auto geliehen. Darüber wollte er nicht sprechen. Er sah aus, als wünschte er Sellberg dahin, wo der Pfeffer wächst, als hätte er am liebsten nichts mit ihm zu tun.«
»Woher kennen sie sich?« »Danach habe ich nicht gefragt.«
»Wie gut. Dann brauchst du die Frage nicht zu wiederholen.« »Ja, nicht wahr.« Winter bog nach rechts und dann nach links ab. Die Häuser waren alle dunkel. Für Örgryte war es noch ein bisschen zu früh.
»In der ersten Nacht schießt jemand auf Sellbergs Haus«, sagte Ringmar. »Vor dem Haus steht Richardssons Auto. In der zweiten Nacht erschießt jemand Sellberg im Zentrum. Sellberg sitzt in Richardssans Auto.«
»Dieses Auto hat vermutlich mit dem Fall zu tun«, sagte Winter.
»Und was hatten Richardsson und Sellberg miteinander zu tun?«
»Das erfahren wir vielleicht bald.« Winter parkte vor dem Haus der Familie Richardsson, einer weiß verputzten Villa im schönsten Funktionalismus.
Hinter einem Fenster im Erdgeschoss brannte Licht.
»Womöglich werden wir schon erwartet«, sagte Ringmar .
Im Schein der Straßenlaterne, die direkt an der Gartenpforte stand, wirkte der Rasen frisch gemäht. Ein Schotterweg führte zum Haus. Die Luft war fast mild. Von Osten zog die Morgendämmerung herauf, die einen weiteren schönen Tag versprach. Der Indian summer war noch nicht zu Ende. Die Leute konnten noch immer ihren Rasen mähen. Vielleicht war es ein Weltrekord für den Norden. Winter musste
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