Toter Mann
berühmteste Anlegestelle der südlichen Schären, und sie war im ganzen Land bekannt. Tanzen auf dem Anleger von Brännö, das war eine gute alte Tradition. Winter hörte Hammerschläge. Man reparierte den Anleger schon für die nächste Saison. In seiner Jugend war er beim Sandviksbad von einem Boot gesprungen und hierhergegangen, um den Tanzenden zuzusehen. Er konnte sich nicht erinnern, ob er getanzt hatte. Er hatte so wenige Erinnerungen. Die Abende waren warm gewesen. Doch, er hatte mit einem Mädchen getanzt. Es war eine Ausnahme gewesen.
»Viele Jahre ist das her«, sagte er.
»Ich glaube, sie ist hier vorbeigeschwommen«, sagte Ademar.
Christian Lejon hatte genug von ihnen, jedenfalls für diesmal. Zum Beispiel von den Albanern. Es gab solche Gangster und solche. Mit manchen konnte man überhaupt nicht reden. Sie kannten keine Zurückhaltung. Wer wollte nicht so schnell wie möglich das Heroin unter die Leute bringen? Aber man musste ein bisschen nachdenken, eventuell erst einmal die Lieferungen etwas einschränken, um dann den Markt mit Ware zu überschwemmen. Ein bisschen planen, eine Strategie entwickeln, das gehörte einfach dazu, wenn man der Erste sein wollte.
Er bog vom Danska vägen ab. In diesen Vierteln hielt er sich sehr selten auf, Redbergslid, Lunden, Härlanda. Er kannte einige alte Gangster, die in Härlanda gesessen hatten, aber heute war das Gebäude verändert und netter. Die Zeiten der Anstalten waren vorbei. Die Idioten und Diebe waren wieder auf den Straßen unterwegs. Es herrschte wieder Mittelalter. Er bog in die Lovisagatan ein und fuhr an dem Haus vorbei, aha, dort wohnte er also. Ein Auto stand nicht davor. Er musste ein Auto haben, oder?
In seinem Kopf begann es plötzlich zu hämmern, nicht laut, nicht so intensiv. Der Schmerz schwappte wie eine kleine Welle zwischen seinen Augen hin und her. Es war nicht nur unangenehm.
Sie standen auf den Felsen neben dem Anleger. Die Landzunge sah aus wie der italienische Stiefelabsatz. Die Nachmittagssonne brannte. Winter blinzelte zu der rauen Kappe von Svensholmen hinüber. Links dahinter sah er Stora Källö und davor einige hohe Häuser auf Tången, dem nördlichen Zipfel von Styrsö, wo er einige Sommer seiner Kindheit und Jugend verbracht hatte. Er hatte auf Svensholmen gezeltet. Er war durch den Källö-Sund gefahren, als gehörte er ihm.
Warum hatte er sich damals nicht mit dem Verschwinden des Mädchens beschäftigt? Oder hatte er es nur vergessen?
Ademar wies auf den Weg. »Von dort ist sie gekommen.«
Winter nickte. Hinter den Klippen ertönten die Hammerschläge, schwer und regelmäßig, wie das Ticken einer Uhr. Der Tischler beherrschte seinen Job. Im Sund tuckerte ein kleiner Kutter vorbei. Das Geräusch klang weich und beruhigend über das Wasser zu ihnen herüber.
»Will die Polizei den Fall wieder aufrollen?«, fragte Ademar. »Er ist verjährt, leider«, sagte Winter. »Aber ich bin ja mit Ihnen hier draußen.«
»Klar ist er verjährt.«
»Der Liebespfad.« Winter zeigte zu dem Weg. »Lassen Sie uns gehen.«
Sie gingen ein Stück auf dem Husviksvägen zurück und bogen dann rechts in den Ramsdalsvägen ein, der zum öffentlichen Badeplatz hinunterführte. Nach einigen weiteren hundert Metern teilte sich der Weg. Der Liebespfad schlängelte sich links auf den Berg hinauf. Jemand hatte das Schild umgedreht, aber Winter kannte sich hier aus, Ademar ebenfalls. Von der Kuppe führte der Pfad hinunter nach Sandviksdalen. Der Wald war sehr dicht geworden und nach dreißig Jahren kaum noch wiederzuerkennen. Auf der Anhöhe stand ein Schuppen, der an einen kleinen Kiosk erinnerte. Der sah jetzt sehr alt und verlassen aus, wie eine Rasthütte, die ihre Bedeutung verloren hatte. Winter konnte sich an den Schuppen erinnern, aber nicht daran, wozu er damals benutzt worden war.
Und Sandviksdalen war auch nicht mehr das, was es einmal gewesen war. Sandvik gab es noch, aber die Meeresbucht, wo früher der Badeplatz gewesen war, war jetzt dicht mit Schilf zugewachsen. Das Sommerlager war verschwunden, als hätte es nie existiert. Auf der großen Wiese grasten ein paar Schafe, und an einem Ende hatte man eine Boulebahn gebaut. Oberhalb lagen einige Boote, die Kiele dem Himmel zugekehrt. Etwas weiter entfernt gab es einen Tennisplatz. Winter hatte das Lager vom Wasser aus gesehen, und damals hatte es groß gewirkt. Von den vielen Gebäuden war nichts übrig geblieben, und sie waren durch nichts ersetzt worden.
»Sie haben den
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