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Totes Meer

Titel: Totes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Keene
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nennst du mich dumm? Komm, ich zeig’s dir.«
    Er nahm mir das Gewehr ab und schob mit seinen kleinen Fingern geschickt die Patronen hinein. Dann gab er mir die Waffe mit einem zufriedenen, überheblichen Grinsen zurück.
    »Danke.«
    »Mr. Washington hat mir gezeigt, wie’s geht.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Er ist gefressen worden.« Daraufhin schwieg der Junge und starrte auf den Boden. Es war offensichtlich, dass er nicht mehr sagen wollte.
    Wieder spähte ich nach draußen. Es kamen immer noch mehr Viecher. Das Klopfen war lauter und fordernder geworden. Wir hörten ein Krachen wie von splitterndem Holz. Plötzlich sahen Tasha und Malik so ängstlich aus, wie ich mich fühlte.

    »Okay«, flüsterte ich, »gibt es noch einen anderen Ausgang?«
    Tasha nickte. »Die Waschküche, im Keller. Die hat eine ziemlich stabile Außentür, die in die Gasse führt. Und dann gibt es noch eine Feuerleiter. Aber die ist kaputt. Reicht nicht mehr bis zum Boden.«
    »Könnten wir uns von der zum Boden fallen lassen?«
    »Nein, ist zu weit oben.«
    »Auf welcher Seite des Gebäudes verläuft die Gasse?«
    »Rechts.«
    »Gehen irgendwelche Fenster in diese Richtung?«
    Sie zeigte auf ein Nebenzimmer. »Das da drin. Das war Mommas Schlafzimmer.«
    »Ihr bleibt hier.«
    Das Zimmer ihrer Mutter war von ihrer Präsenz erfüllt. Es roch nach Parfüm, Lavendel, Babypuder und Bodylotion mit Vanillearoma. Die Gerüche waren schwach, aber ausdauernd. Das machte mich traurig – in ein paar Wochen wären sie wahrscheinlich endgültig verschwunden. Das Gefühl überraschte mich. Ich dachte an meine Mutter, schob dann aber die Gefühle beiseite. Sinnlos, jetzt rührselig zu werden. Nicht, solange wir noch in Gefahr waren. Das Schlafzimmer war dunkel, doch das Glühen des Feuers spendete genug Licht. Auf dem Bett lagen eine weiße Spitzenüberdecke, hellgrüne Flanelllaken und zwei Kissen, daneben ein abgenutztes altes Stofftier. Auf der Kommode reihten sich verstaubte Bilderrahmen
und billiger Krimskrams aneinander. Auf allen Fotos lächelten die Kinder. Es gab ein paar Bücher, vor allem Taschenbücher von Toni Morrison, Chesya Burke und einige kitschige Liebesromane, zusammen mit einer zerlesenen Bibel.
    Ich ging zum Fenster und starrte in die Gasse hinunter – ein schmaler Betonstreifen, der sich zwischen den Wohnblocks hindurchzog. Eine leere Papiertüte flog vorüber, ansonsten bewegte sich nichts. Noch war die Gasse zombiefrei. Sie hatten ihre Kräfte stumpf an der Vordertür versammelt. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass ich sie vielleicht überschätzt hatte. Sie kannten weder Taktik noch Pläne. Sie kannten nur Hunger. Verlangen. Sie hatten gesehen, wie ihre Beute durch die Vordertür verschwunden war, also hatten sie sich dort versammelt. Irgendwie war es jämmerlich.
    Die Gasse war also frei. Die Frage war nur, ob das auch so bleiben würde in der Zeit, die wir brauchten, um runter in die Waschküche zu kommen. Und selbst wenn, was erwartete uns dann in den Straßen?
    Eins nach dem anderen, dachte ich. Jetzt erstmal runter in die Waschküche .
    Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück. Die Kinder sahen mich erwartungsvoll an.
    »Habt ihr noch Wasser?«
    »Ja.«
    Tasha führte mich in die Küche, wo sie Plastikeimer und Krüge voller Regenwasser aufgestellt hatten. In einigen von ihnen schwammen Moskitolarven.
Sie erklärte mir, dass sie die Eimer auf dem Dach aufgestellt hatten. Ich ließ die Kinder ihre Kleidung anfeuchten und tat mit meiner nochmal das Gleiche. Außerdem nahm ich drei Waschlappen und tränkte sie mit Wasser. Ich erklärte, wie sie den Rauch abhalten würden, wenn das Feuer zu nah kam. Dann waren wir fertig. Die Kinder wirkten immer noch verängstigt, aber sie diskutierten nicht rum und meckerten nicht.
    »Okay«, sagte ich, »bleibt dicht zusammen, aber immer hinter mir. Atmet durch eure Waschlappen und beugt euch so weit wie möglich nach vorne. Rauch steigt nach oben, die Luft wird unten am Boden besser sein. Versucht möglichst leise zu sein. Seid ihr bereit?«
    Sie nickten. Tasha verschränkte die Arme vor der Brust und zitterte.
    »Hast du Angst?«, fragte ich sie.
    »Nö. Na ja, schon. Klar hab ich Angst. Aber deswegen zittere ich nicht. Ich friere. Meine Klamotten sind nass.«
    »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Wir suchen dir ein paar trockene Sachen, wenn wir in Sicherheit sind.«
    »Wo gehen wir hin?«, fragte Malik.
    Ich zögerte, da ich nicht sicher war, was ich ihm sagen sollte.
    »Ich

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