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Totes Zebra zugelaufen

Totes Zebra zugelaufen

Titel: Totes Zebra zugelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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auf Tibbs zu.
    »Tut mir leid, daß ich noch keine Zeit für Sie hatte«, erklärte er brüsk. »Am besten melden Sie sich immer bei meiner Sprechstundenhilfe an. Meistens bin ich einen ganzen Monat im voraus besetzt.«
    »Ich komme nicht als Patient«, erwiderte Tibbs. »Ich bin amtlich hier.«
    Der Arzt warf einen Blick auf seine Sprechstundenhilfe. Tibbs hatte inzwischen seine Dienstmarke herausgezogen.
    »Ein Mißverständnis«, bemerkte der Arzt. »Kommen Sie herein, ich habe ein paar Minuten Zeit.«
    Sowie Tibbs kurz erklärt hatte, worum es ging, hörte Dr. Shapiro aufmerksam zu und sah sich die Kontaktlinsen an. Dann trug er seiner Sprechstundenhilfe auf, die Kartei durchzugehen. Wenig später legte ihm das Mädchen die Karte eines gewissen Michael Carella, Präsident der Carella Hoch- und Tiefbau AG, auf den Schreibtisch. Mr. Carella hatte sich eine leichte Augenverletzung zugezogen, die später eine radikale Korrektur erforderlich gemacht hatte.
    Obwohl es schon spät am Tag war, rief Tibbs gleich von der Praxis aus die Baufirma an. Mr. Carella war nicht zu erreichen. Er war schon seit Tagen nicht anwesend gewesen. Seine Sekretärin konnte nicht genau sagen, wo er sich aufhielt. Sie meinte, er wäre unterwegs, um verschiedene Baustellen zu besichtigen.
    Es kostete Tibbs Mühe, seine Erregung zu beherrschen. Er meldete sich für den nächsten Morgen um neun Uhr zu einem Besuch in der Baufirma an. Dann machte er sich auf die Heimfahrt, um sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
    Punkt neun Uhr lenkte er am nächsten Morgen seinen Wagen auf den Parkplatz der Baufirma Carella. Im Hof standen mehrere Planierraupen und einige Personenautos, unter ihnen auch ein Lincoln Continental. Als Tibbs ihn bemerkte, runzelte er die Stirn.
    Er betrat einen kleinen Vorraum und meldete sich bei dem Mädchen an, das als Empfangssekretärin und Telefonistin fungierte. Das Mädchen stöpselte am Klappenschrank und sagte dann: »Jemand für Mike.«
    Eine füllige Frau mittleren Alters, die aussah wie eine Buchhalterin, erschien und fragte: »Sind Sie der Herr, der gestern abend angerufen hat?«
    Nachdem Tibbs bejaht hatte, führte sie ihn in ein Büro. Am Schreibtisch saß ein massiger Mann mit dichtem schwarzem Haar. Er stand auf und schüttelte Tibbs die Hand. Dann deutete er auf einen Stuhl.
    »Wie war gleich Ihr Name?«
    »Tibbs. Virgil Tibbs.«
    »Mike Carella. Was verschafft mir die Ehre?«
    Tibbs präsentierte seine Karte.
    »So, von der Polizei. Na, was hab' ich verbrochen?«
    »Nichts. Ich möchte Ihnen nur rasch zwei Fragen stellen. Erstens: Tragen Sie Kontaktlinsen?«
    »Ja, mit Leidenschaft. Wenn Sie welche brauchen, kann ich Ihnen nur raten, zu Dr. Shapiro zu gehen. Ein Könner.«
    »Danke. Nummer zwei: Haben Sie kürzlich ein Paar Kontaktlinsen verloren oder verlegt?«
    Carella zog zwei dicke Zigarren aus der Brusttasche und bot Tibbs eine an. Der Kriminalbeamte lehnte ab.
    »Nein«, erwiderte Carella. »Ich habe nur ein Paar, und das trage ich gerade. Sie können sie natürlich nicht sehen — niemand kann das. Eine tolle Erfindung. Worum geht's eigentlich?«
    Er hatte ein Recht auf Auskunft. »Wir haben einen Toten gefunden, der ähnliche Linsen trug wie Sie. Wir wollten uns nur vergewissern, daß Ihnen nichts passiert ist. Das ist alles.«
    »Na wunderbar«, meinte Carella. »Übrigens, wenn Sie diese Bande erwischen, die sich bei uns im Hof herumgetrieben hat, dann jagen Sie den Bürschchen mal tüchtig Angst ein und lassen Sie sie dann laufen. Unsere Maschinen können sie ja nicht kaputtmachen, aber sie könnten sich damit verletzen. Und dann haben wir den Salat.« Er hielt inne. »Danke für die Fürsorge. Kommen Sie vor Weihnachten mal vorbei. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.«
    Tibbs schüttelte ihm die Hand und ging. Auf halbem Weg zu seinem Wagen sah er einen Stein von der Größe eines Golfballs auf dem Boden liegen. Er holte mit dem rechten Fuß aus und trat mit voller Wucht zu. In seiner Wut traf er nicht ganz. Der Stein rollte nur ein paar Meter zur Seite und blieb liegen.
    Er stieg in seinen Wagen und blieb eine Weile reglos sitzen. Die Enttäuschung drückte ihn nieder. Er war übelster Stimmung, als er zurück in sein Büro fuhr.

6

    In den folgenden vierundzwanzig Stunden lebte Virgil Tibbs nur von der Hoffnung. Er überwachte unermüdlich sämtliche Informationsquellen, die Neues über vermißte Personen zu melden hatten, und blätterte amtliche Berichte durch, auf der Suche nach

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