Totes Zebra zugelaufen
Albert ihr sein Desinteresse klarmachte. Er lebte damals schon in Frankreich. Meine Familie mütterlicherseits stammt aus Frankreich, und er beherrschte die Sprache ausgezeichnet. Er hatte sich dort ein Haus gekauft, an dem er sehr hing; ich weiß, daß er drüben sehr beliebt war. Er war auch wirklich ein feiner Mensch. Er hatte sehr viele Freunde, und die gute Joyce war auf Eis gelegt. Jedenfalls glaube ich, daß es so war.« Sie verstummte und holte tief Atem. Als sie weitersprach, hatte sich der Ton ihrer Stimme gewandelt. »Na ja, Joyce schwamm jetzt im Geld und wollte noch mehr verdienen. Und da hatte sie einen Einfall: Sie wollte eine Gesellschaft gründen, um Onkel Alberts Patente auszuwerten. Offenbar meinte sie, daß ihm noch mehr einfallen würde, wenn er über zusätzliches Betriebskapital verfügte, und sie wußte, wo das aufzutreiben war. Sie machten also einen Vertrag.«
Ellen brach ab. Es kostete sie Mühe, die Beherrschung zu bewahren.
Tibbs verhielt sich ruhig, er wollte sie nicht ablenken.
Schließlich fuhr sie fort: »Drei oder vier andere Leute beteiligten sich an der Sache, und sie wurde ein Erfolg — auf Grund der neuen Verfahren natürlich, die Onkel Albert entwickelte. Dann zog er sich plötzlich zurück. Er verbrachte die meiste Zeit in Frankreich, kam uns nur einmal im Jahr besuchen und nahm an den Gesellschafterversammlungen teil. Da er derjenige war, von dem das Gedeihen des Unternehmens abhing, wurden seine Ansichten und Vorschläge von den anderen im allgemeinen akzeptiert.«
»Das glaube ich gern«, meinte Tibbs.
Ellen trank etwas Tee. »Dieses Jahr scheint die Sitzung besonders wichtig zu sein. Ich weiß keine Einzelheiten, aber offenbar machte ein großes Unternehmen das Angebot, die ganze Firma aufzukaufen. An der Gesellschaft sind nur vier oder fünf Leute beteiligt, und die müssen sich jetzt entscheiden.«
»Wohnen sie hier in der Umgebung?« fragte Tibbs.
Sie nickte. »Ja. Ich habe das Gefühl, daß einige von ihnen verkaufen wollen und andere nicht. Mit Gewißheit weiß ich das natürlich nicht. Onkel Albert schrieb uns, daß er diesmal unbedingt dabeisein wollte.«
»Was hielt Ihr Onkel von einem Verkauf?«
Ellen schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Er schrieb nur, daß er unter allen Umständen dabeisein wollte.«
»Leicht möglich, daß er das Zünglein an der Waage war«, überlegte Tibbs laut. »Wenn das zutrifft, dann kann es zu heftigen Meinungsverschiedenheiten gekommen sein.«
»Die zu einem Mord geführt haben?« fragte Ellen.
»Man muß die Möglichkeit auf jeden Fall in Betracht ziehen«, versetzte Tibbs.
Auf der Rückfahrt nach Pasadena schossen ihm viele Gedanken durch den Kopf. Als er sein Büro betrat, fand er Bob Nakamura vor.
»Du bist in die Sklaverei verkauft worden«, verkündete Bob.
Tibbs setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Muß ich wieder bei einem Pfadfindertreffen eine Rede halten?«
Bob schüttelte den Kopf. »In San Bernardino ist man hellauf begeistert, daß du den Toten identifiziert hast. Außerdem stellte man fest, welch ein unsagbares Glück es war, daß du gerade erschienst, als man besonders knapp an Personal war.«
Tibbs starrte eine Weile schweigend auf seine Schreibtischplatte. »Ich habe doch anderes zu tun«, erklärte er seufzend.
»Das weiß jeder, auch Captain Lindholm. Trotzdem sollst du die Ermittlungen bis zum Abschluß des Falles weiterführen. Man erwartet eine baldige Klärung.«
Tibbs schüttelte den Kopf. »Warum hat mich meine Mutter nicht daran gehindert, zur Polizei zu gehen? Bei mir muß eine Schraube locker gewesen sein.«
»Das soll vorkommen«, bestätigte Bob. Er schwieg einen Moment und sah Tibbs von der Seite an. »Macht Spaß, in einem Nudistencamp aus- und einzugehen, was?«
Tibbs lachte. »Es ist mal was anderes, das kannst du mir glauben. Aber die Leute sind nett.«
»Hübsche Mädchen?«
Tibbs erwiderte den vielsagenden Blick. »Warte, bis du Linda gesehen hast. Sitz du mal mit Leuten am Tisch, die ganz nonchalant angezogen sind — ausgezogen meine ich — und dir Fragen über deine Arbeit stellen.«
»Könnte Spaß machen«, meinte Bob. »Als ich Amiko heiratete, erklärte ich mich natürlich bereit, mir die Kandare anlegen zu lassen, aber Scheuklappen trage ich nicht.«
»Ich werde dir eine Einladung verschaffen«, versprach Tibbs großzügig. »Sie haben schon mehrere japanische Mitglieder.« »Ich glaube nicht, daß Amiko begeistert sein wird. Ich persönlich hätte
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