Totes Zebra zugelaufen
wollte unbedingt einen guten Eindruck machen. Er wählte einen dunkelbraunen Sakko, eine etwas hellere Hose und eine gelbe Krawatte. Bei seiner Ankunft machte Ellen ihn mit ihren Eltern bekannt, sympathischen Leuten, die sich längere Zeit mit ihm unterhielten. Auf ihre Bitte hin berichtete er noch einmal ausführlich von der Auffindung des Toten und seinem vergeblichen Bemühen, ihn doch noch zu retten. Als er die Geschichte — wie er hoffte, zum letztenmal — erzählt hatte, war er mit diesen Menschen, die versuchten, wieder in ihr Alltagsleben zurückzufinden, zu einem gewissen, schweigenden Einverständnis gelangt. Er mochte sie und hoffte von ganzem Herzen, daß auch sie ihn mochten.
Schließlich verabschiedete er sich und fuhr mit Ellen vorsichtig die Bergstraße nach San Bernardino hinunter. Ellen und er spielten Minigolf, aßen anschließend in einem Restaurant zu Abend und sahen sich dann einen Film an. Als der Abend vorüber war, wendete er seinen Wagen voller Bedauern zurück zum Großen Bärensee. An diesem Abend spielten Entfernung und Zeit für ihn keine Rolle. Er spürte Erregung, als Ellen sich zurücklehnte und ihr Haar im Wind flattern ließ. Sie hatte die Augen geschlossen, und George verlangsamte die Fahrt, um sich ihrer Stimmung anzupassen.
»Was haben Sie später einmal vor?«
»Sie meinen beruflich?«
»Ja.«
George steuerte um eine Kurve und schaltete in den ersten Gang. »Ich möchte Schiffsbau-Ingenieur werden. Das habe ich im College studiert. Ich liebe das Meer und finde Schiffe faszinierend. Das kommt wahrscheinlich daher, daß sie sich fortbewegen und nicht stillstehen. Und wenn es nur eine Fähre ist, die zwischen Catalina und dem Festland hin- und herpendelt. Das ist Bewegung — etwas Dynamisches.«
Ellen öffnete die Augen und sah ihn an. »Als ich klein war, stellte ich mir immer vor, ich würde eines Tages mit einer schnittigen Segeljacht in See stechen und die ganze Welt sehen.«
»Eine wunderbare Vorstellung«, meinte George. »Die dürfen Sie sich nicht nehmen lassen. Viele Menschen empfinden ebenso. Das einzige, was sie abhält, ihren Wunschtraum zu verwirklichen, ist das Geld. Man braucht Zeit und Geld dazu. Aber das braucht man für so vieles.«
»Ich habe nie Geld gehabt und sehne mich auch nicht sonderlich danach«, stellte Ellen fest. »Unter den reichen Leuten, die bei uns absteigen, gibt es eine ganze Anzahl, die ziemlich unangenehm sind. Manchmal hat man schon seine Probleme.«
»Wir auch. Und bei uns gibt's oft noch zusätzliche Schwierigkeiten, weil es sich um ein Nudistencamp handelt. Manche Leute verwechseln es immer noch mit einer Art Freiluft...« Er brach verlegen ab.
»Ich verstehe«, sagte Ellen. Sie schwieg einen Moment, und George fragte sich, ob er sie verletzt hatte. Dann sagte sie: »George, wie kam Ihre Familie dazu, dieses — ich meine, ein Nudistencamp zu eröffnen?«
»Aus Überzeugung, würde ich sagen. Ich weiß, daß Sie die Sache wahrscheinlich nicht vom gleichen Standpunkt sehen wie wir, doch es lohnt sich, darüber nachzudenken. Erinnern Sie sich mal an die Badeanzüge der letzten Generation. Jetzt erreichen wir allmählich den Punkt, an dem wir uns nicht mehr fürchten, einzugestehen, daß wir Menschen sind, daß wir uns unseres Körpers nicht mehr schämen.«
»Trotzdem. Ganz ohne Kleider ...«
George ließ es dabei bewenden. Er war viel zu glücklich, sie neben sich zu wissen, so wie sie war. Er fuhr den Wagen über eine Anhöhe. Das kühle Licht des Mondes streichelte ihnen das Gesicht.
Ellen wies auf eine Abzweigung vor ihnen. »Halten Sie dort, bitte.«
George steuerte auf den Schotter des Parkplatzes, einer der vielen Aussichtspunkte an dieser Straße. Er hielt und zog die Handbremse an.
»Ich habe diese Stelle gern«, erklärte Ellen schlicht.
George ging um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Als sie zur steinernen Balustrade schritten, war er ihr so nahe, daß er sie hätte berühren können. Er tat es nicht, weil er fühlte, daß sie es nicht wollte — noch nicht.
Das Panorama, das sich zu ihren Füßen ausbreitete, war sehenswert. Wenn auch das Mondlicht so viel verschluckte, daß das Land unmittelbar unter ihnen im Dunkel blieb, so dehnten sich doch die Lichter der Stadt und des Militärflughafens Norton wie ein funkelnder Teppich in die Nacht hinein.
Ellen setzte sich auf die niedrige Steinmauer und wand den Kopf, um in die Tiefe zu blicken. George genoß ihr Profil und ihre ungezwungene Haltung. Neue
Weitere Kostenlose Bücher