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Totgeburt

Totgeburt

Titel: Totgeburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam E. Maas
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eine Frage unbeantwortet. Wieso gab sich ein Wesen, das so vollkommen wie Vater war, überhaupt mit dem Menschen ab? Etwas an ihnen machte seinen Vater an, deren Fleisch etwa? Aber Vater war nicht aus Fleisch gemacht. Deren Leiber konnten es nicht sein.
    Er dachte wieder an die alte Jungfer. Er hatte schon viele davon gesehen. Sie waren trocken, ihre Quellen verdorrt, sodass man von ihnen nicht mehr trinken konnte. Der Jungfer konnte er wohl keine quälende Erkenntnis mehr schenken. Der Traum würde nichts weiter als naive Fiktion bleiben — wie all seine Träume. Seine Visionen würden niemals Gestalt annehmen, das war sein Schicksal. Als er dies erkannte, ließ er ab von seiner Waffe. Davon unbeirrt ragte seine Lanze in die Luft, pulsierte und drängte zur Tat — als ob sein Freund nicht zugehört hätte und nichts von dem Dilemma, in dem sie beide steckten, wüsste. Freches Ding, dachte er und schmunzelte.
    Er streifte ein weißes Hemd über und quälte sich in seine Jeans. Bevor er den Reißverschluss schloss, tätschelte Caspar den Kopf der Schlange, denn es war nicht ihre Schuld.
    „Guter Junge“, verabschiedete er sich und zog behutsam den Verschluss zu.
    Die Beule in der Hose war nicht zu übersehen, sie würde solange bleiben, bis er die Schlange in die Freiheit entließ und sie sich auf ein Beutetier werfen konnte.
    Caspar trat auf die Straße. Hässliche Kreaturen eilten vorbei. Er hob den Kopf und schloss die Augen, um sie vor den Strahlen des heißen Feuerballs über ihm zu schützen. Dann inhalierte er. Kein Duft sagte ihm zu, lauter faules Obst.
    Plötzlich stieß eine Schulter gegen seinen Arm und jemand fluchte. Caspar verstand das Zeichen: so kurz vor der Haustür war nichts zu holen. Er musste tiefer in den Garten eindringen. Also tauchte er hinab in den Strom aus Fleisch, der ihn sogleich vereinnahmte und mit sich zog.
    Während Caspar den Fluss aus Leibern durchschwamm, dachte er weiter nach. Pläne für die Zukunft zu haben und sich in den Träumen und Erwartungen zu verirren, das war der große Fehler, den die Fleischklöpse machten. Sebastian war so jemand gewesen und der war daran zerbrochen. Das war auch gut so, jedoch spukte dessen kranker Geist noch immer in ihm, so wie gerade jetzt und das war schlecht.
    Nebel zog auf und brachte Schwindel mit sich, der stramme Schritt geriet ins Wanken. Was war das nur für eine seltsame Welt? Es gab Sebastian nicht mehr und doch war er da, sowie es keinen Sinn gab und dennoch gab es all dies. Es war ein Spiel, begriff Caspar und er war kein Spieler, sondern eine Figur. Unsinn! Der Nebel verschwand und die Füße trafen auf harten Asphalt. Realität. Marie hatte Recht, sein Gehirn brauchte nur ein wenig Zeit — hoffentlich.
    Scheiß auf das Gehirn, sagte er sich und ging weiter.
    Es war an der Zeit, sich zu berauschen. Eine Flasche Champagner nach der anderen wanderte durch seine Hände. Alkohol machte die Frauen gefügig und weckte den Neid der Männer. Sein eigener Konsum trug nur indirekt zum Rausch bei — der Rausch, er kam von alleine. Tabledance, Bordelle, Casinos und Discos. Oh ja, diese Stadt war reich an ihnen, reich und sexy.
    Hatte sich früher niemand nach ihm umgesehen, war er auf einmal begehrenswert. Die Frauen suchten seine Nähe und schenkten ihm all die Aufmerksamkeit, die ihm zustand. Er fand es amüsant und fragte sich manchmal, was sie in ihm sahen, den Vater ihrer Kinder etwa? Sie wussten es wohl selbst nicht. Caspar schien jedenfalls immer den passenden hormonellen Ton zu treffen. In ihm musste ein kleiner Alchemist stecken, der sich auf Anhieb auf sein Gegenüber umstellen konnte. Frauen waren hormongetriebene Maschinen, egal wie sehr sie sich anstrengten, die Tatsache hinter ihrer teuren Bildung und ihrem angeblichen Charakter zu verbergen. Verdammt, wie er das Wort Charakter hasste! Es war die Erfindung der hässlichen, frigiden und wenig begehrten Weibchen, die von ihrer mageren Mitgift ablenken wollten. Sie bildeten sich ein, sie seien besser als all die promisken Frauen, dabei waren sie viel mehr Sand im Getriebe der großen Maschine.
    Die Gebärmaschine war infiziert, Rost hatte sich überall festgesetzt. Überall waren Alte zu sehen, die das Verfallsdatum bereits überschritten hatten, denn sie spielten schon lange nicht mehr das Rein-Raus Spiel. Warum äscherte man sie nicht einfach ein? Sie nahmen nur Platz und Ressourcen weg. Klar, bei ihnen war die biologische Uhr abgelaufen, aber was war mit all den jungen

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