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Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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leichtem, selbstbewusstem Lächeln nahm Nakita die Sonnenbrille ab und warf sie achtlos zur Seite. Sie hatte eine lange Hose und ein hautenges Top an, beides weiß. Um die Hüften hatte sie sich einen goldenen Gürtel geschlungen und darüber trug sie einen strahlend weißen Mantel, dessen Saum den Rasen streifte. Der Edelstein an ihrem Schwert, das sie mittlerweile gezogen hatte, schimmerte in tiefem dunklem Violett, passend zum Amulett um ihren Hals. So sah also der Tod aus – und er kam direkt auf mich zu. »Hallo, Madison«, begrüßte sie mich nun und warf ihr langes schwarzes Haar zurück. »Deine Seele war ganz schön schwer zu finden.«
    Ich wich weiter zurück und klammerte mich an meine Kamera, als könnte die mir helfen. Verdammt, wo war bloß Barnabas, wenn man ihn mal brauchte? Nakitas Amulett konnte ich nicht benutzen, weil sie ein schwarzer Engel war - wie sollte ich das hier also machen? Ich musste einen Weg finden, es ihr irgendwie trotzdem zu klauen. Aber wie? Auf jeden Fall musste es schnell gehen.
    Plötzlich stand Josh neben mir, verängstigt, aber entschlossen. Grace schwebte über unseren Köpfen. Aus dem Baum hörte ich ein Rascheln - Schwarzflügel. »Mach es jetzt, na los«, flüsterte Josh mir aufgeregt zu.
    Ich konnte es genauso gut ausprobieren und abwarten, was passierte. Wenn ich es nicht tat, war Josh so gut wie tot. Ich hatte nichts zu verlieren. Also reichte ich ihm meine Kamera, holte tief Luft, um mir das geistige Bild meines Amuletts vor Augen zu rufen und zerriss alle Fäden zur Gegenwart, die ich sah. Ich strauchelte, fiel beinahe hin, so schwindelerregend war das Gefühl, als ich unsichtbar wurde. Grace war plötzlich sichtbar und Josh wich langsam zurück. In der Faust hielt ich mein Amulett, aber es fühlte sich so an, als hätte ich es gar nicht wirklich in der Hand. Grace sah mich direkt an, ihr Gesicht wirkte verängstigt. Eine leise Stimme in mir flüsterte, dass etwas nicht stimmte. Doch ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken und griff nach Nakitas Amulett. »Nicht, Madison!«, rief Grace noch, aber es war zu spät.
    »Hey!«, winselte ich, als Nakita mein Handgelenk lässig mit der freien Hand abfing. »Du solltest mich eigentlich gar nicht sehen«, sagte ich leicht dümmlich. Schockiert sah ich zu ihr auf.
    Joshs Gesicht war weiß, offenbar konnte er mich auch sehen. Wie war das möglich? Ich sah doch mein Amulett vor meinem geistigen Auge, mit den Fäden, die durchtrennt wurden, sobald sie von der Zukunft zur Gegenwart wanderten. Und trotzdem war ich sichtbar?
    Nakitas volle Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, sie riss mich näher zu sich und legte den Arm um meinen Hals. »Ich weiß nicht, was du da vorhast, aber du hörst jetzt sofort auf, an meinem Amulett zu zerren, du kleiner Sukkubus!«
    Ihr Amulett? Ich dachte kurz nach, dann verstand ich, was passiert war. Genau wie mich Barnabas' Amulett an die Gegenwart gebunden hatte, als ich tot im Leichenschauhaus lag, tat es jetzt das von Nakita. Du bist ja so was von blöd, blöd blöd!, schalt ich mich. Ich konnte Grace zwar sehen, war aber selbst nicht vollkommen unsichtbar. Verdammt!
    Sofort hörte ich auf, die Fäden zu zerreißen, und Grace wurde wieder zu einer verschwommenen Lichtkugel. Nakita hielt mich immer noch fest; ich versuchte mich zu befreien, doch vergeblich. »Lass sie los!«, schrie Josh und stürmte auf uns zu. Mein Gott, nein!
    Nakita wich Joshs Hieb aus und riss mich dabei von den Füßen. Bevor ich mein Gleichgewicht wiedererlangen konnte, versetzte sie ihm einen Tritt gegen den Solarplexus. Josh flog nach hinten. Er stieß einen hässlichen Laut aus, als er neben meiner Kamera auf die Knie fiel und nach Luft rang. Seine Augen waren weit aufgerissen und die Haare klebten ihm schweißnass an der Stirn. Nakita war wesentlich stärker, als sie aussah.
    »Okay. Du hast mich doch. Lass ihn in Ruhe«, keuchte ich nach einem Blick auf ihr Schwert und ihr Amulett, das nur wenige Zentimeter von mir entfernt war.
    »Kairos will dich sehen«, entgegnete sie. Ihre blassblauen Augen wirkten kalt. »Er hat ein kleines Fest geplant, bei dem dein Körper, deine Seele und mein Schwert zusammentreffen sollen.«
    Mist, dachte ich, und versuchte wieder, mich ihr zu entwinden. Das klang gar nicht gut.
    »Versprich mir, dass du Josh in Ruhe lässt«, bat ich und streckte die Hand aus, vorbei an ihrem Arm, der mich umklammerte, bis meine Fingerspitzen den kalten Stein an ihrem Hals berührten. Nichts geschah.

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