Totgekuesste leben laenger
dürfen. Aber das reichte mir nicht und ich weigerte mich, an mein Ende zu glauben, auch als ich es schon vor mir sah. Alles, was ich brauchte, war ihr verdammtes Schwert. Es war direkt mit ihrem Amulett verbunden und mit seiner Hilfe konnte ich die Verknüpfung zu mir zertrennen, da war ich mir sicher. »Du magst ja vielleicht ein Todesengel der Finsternis sein«, keuchte ich, »aber von menschlicher Entschlossenheit verstehst du einen Dreck.« Sie blinzelte, die Augen weit aufgerissen und voller Verwirrung. Ich biss die Zähne zusammen und stürzte mich auf sie.
Endlich zahlten sich meine zwei Jahre Training aus. Ich setzte den linken Fuß fest neben ihren rechten, wirbelte dann herum, sodass ich seitwärts neben ihr stand, und ließ den rechten Ellbogen mit Schwung auf ihre Mitte zusausen. Ich traf sie hart in den Magen und sie sackte zusammengekrampft nach vorn. Ihr Schwert hing ihr schlaff in der Hand und ich griff oberhalb ihrer Finger zu. Nun gehörte es ihr und mir zugleich. Vor meinem geistigen Auge konnte ich unsere beiden Amulette und alle Fäden sehen, die mich mit dem Jetzt verknüpften.
Als sie begriff, dass ich es auf ihr Schwert abgesehen hatte, legte Nakita ihre Hand über meine, mit der ich mich an den Griff klammerte. Wir beide hielten es fest. Ich musste mich auflösen, dann könnte ich das Schwert mitnehmen. Aber es tat so weh.
Wenn ich es nicht schaffte, würde Josh sterben. Ich konnte ihn nicht sterben lassen, nur weil ich Angst vor Schmerzen hatte. Die Entscheidung war einfach. Meine Hand brannte unter dem Griff des Engels. Ich gab dem Schmerz nach, ließ mich von ihm durchfluten, bis er versiegte, und mich, reingewaschen von allem außer meinem Willen, zurückließ. Euphorie stieg in mir auf, ein falsches Hochgefühl, mit dem mein Geist sich zu schützen versuchte. Belebt und voll neuer Kraft stieß ich die Luft aus, mein Atem strich über die Linien, die mich mit der Gegenwart verknüpften - und unter diesem willenserfüllten Atem schrumpften sie plötzlich alle zusammen wie seidene Fäden im Feuer. Ihr Schwert gehörte mir.
»Nein!«, schrie Nakita und wich zurück, als sie spürte, wie ihr Schwert mit mir unsichtbar wurde. Ich war nichts als Nebel, sie konnte mich nicht aufhalten, aber sie stürzte sich trotzdem auf mich, als könnte sie es. Instinktiv hob ich die Hand und Nakita glitt geradewegs durch mich hindurch, während ihr Amulett erstrahlte wie eine violette Flamme.
Ihr Gesicht war von Staunen ergriffen und ihr Mund öffnete sich in einem stummen Schrei. Es war, als hätte die Zeit sich verlangsamt. Ich hielt die Luft an, um Nakita nicht einzuatmen. Stück für Stück brach ich zusammen, als ich ihre kalte Wut fühlte und ihre Enttäuschung schmeckte. Im Geiste sah ich Kairos vor mir, wie er auf einem Boden aus schwarzen Fliesen in der Sonne stand. Er sagte ihr, dass ich eine Gefahr für den Willen der Seraphim darstellte, und schickte sie mir heimlich hinterher. Einen Augenblick lang war ich sie. Ich war Nakita - und sie war ich. Die Schwarzflügel, die an mir hingen, spürten sie auch. Und fanden etwas Besseres zu fressen als mein armseliges, erst siebzehn Jahre altes Gedächtnis.
Nakita schrie auf vor Qual, als die Schwarzflügel mich freigaben und sich an ihr festsaugten. Der Schmerz verschwand, als sie von meiner Seele abließen und sich stattdessen in ihre verbissen, als sie durch mich hindurchwehte.
Ich landete auf dem Boden und die Erschütterung unterbrach meinen Einfluss auf die Amulette. Erneut durchstießen Linien Zeit und Raum. Zwei Steine banden mich an die Gegenwart. Ich war wieder sichtbar, über mir stand Nakita, steif vor Schmerzen. In der Hand hielt ich nicht ihr Schwert, sondern ihr Amulett. Ich hatte ihr das eine abgenommen und beides bekommen.
Die Stimme hoch und verzerrt vor lauter Qual, fiel Nakita auf die Knie. Schimmernd kamen ihre weißen Flügel zum Vorschein. Sie erstreckten sich bis an die hohen Äste. Ängstlich krabbelte ich zu Josh nach hinten. Er blickte auf, eine Hand an den Bauch gepresst, und sah zitternd zu, wie Grace über uns wieder zu einer glühenden Lichtkugel wurde.
Zum dritten Mal stieß Nakita einen markerschütternden Schrei aus. Er klang überhaupt nicht menschlich und die Furcht ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Die Schwarzflügel waren in ihr. Entsetzt starrte ich sie an, als ich begriff was ich getan hatte. Aber das hatte ich nicht gewusst. Ich hatte es wirklich nicht gewusst!
Wieder bogen sich ihr Rücken und
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