Totgekuesste leben laenger
Brust hob und senkte sich in einem schweren Seufzer. »Der einzige Grund, warum du dir das Amulett eines Zeitwächters nehmen konntest, ist, dass du selbst einer bist.«
»Nein!«, rief ich. »Ich konnte es mir nehmen, weil ich ein Mensch bin.«
Er schüttelte den Kopf. »Du konntest es berühren, weil du ein Mensch bist, aber du hast es dir genommen, weil du bist, wer du bist. Dann hast du dir selbst beigebracht, dich davon zu lösen und es dabei trotzdem nicht wieder zu verlieren. Du hast Grace Befehle erteilt, ihr einen Namen gegeben, der sie an dich gebunden und Rons Auftrag ausgelöscht hat. Du bist eine angehende Zeitwächterin, Madison, einer der beiden Menschen, die in diesem Jahrtausend mit der Fähigkeit geboren wurden, die Krümmung der Zeit zu überleben.«
Ich starrte ihn an, langsam breitete sich Panik in mir aus. Ich? Eine schwarze Zeitwächterin? Ich glaubte doch gar nicht an das Schicksal. Er musste sich irren. »Hat Ron das gesagt?«, flüsterte ich.
Er zog die Füße in den schmutzigen Sneakers auf die Sitzbank und beugte sich ruckartig vor. Das Kinn auf die Knie gestützt, musterte er mich unter seinem dunklen Lockenschopf hinweg. »Nein«, gab er zu und ich atmete erleichtert aus. »Aber du bist es, Madison. Zeitwächter sind nicht ohne Grund sterblich. Die Welt ändert sich, Menschen ändern sich, Werte ändern sich. Man kann von einem Menschen, der im Zeitalter der Pyramiden geboren wurde, nicht verlangen, dass er einen Menschen versteht, der es für selbstverständlich hält, dass man sich die Erde von oben angucken kann. Und wenn sich die Veränderung überstürzt, übernimmt ein neuer Zeitwächter die Macht.« Nach einem flüchtigen Blick zur Schwester am Empfang rückte er näher. »Ich habe das schon früher miterlebt, es ist wie ein Rad, das sich dreht. Neue Zeitwächter werden gefunden und unterrichtet. Sie lernen, bis das Amulett weitergereicht wird und der alte Zeitwächter wieder altert und dort weitermacht, wo sein Leben durch das Göttliche unterbrochen wurde. Dass du tot bist, macht das Ganze komplizierter, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du die neue Zeitwächterin bist.«
»Nein, bin ich nicht!«, widersprach ich. »Ich bin ich, mehr nicht. Und selbst wenn ich eine Zeitwächterin wäre, doch wohl kaum die schwarze! Ich glaube nicht an Schicksal. Ich hab Kairos' Stein doch nur genommen, um am Leben zu bleiben!«
Barnabas runzelte die Stirn und sah zur Empfangsschwester hinüber. »Das Amulett zu nehmen, war vielleicht deine Entscheidung, aber das Schicksal hat dich dorthin versetzt, sodass du es überhaupt tun konntest. Wenn du nur ein unschuldiges Vollstreckungsopfer wärst, hätte Ron dich direkt am selben Tag den Seraphim übergeben. Hat er aber nicht.« Barnabas' Stirn umwölkte sich noch mehr. »Ich hätte es sofort wissen müssen, aber ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass er dich sogar anlügen würde, damit du es nicht erfährst.«
»Ron hat gesagt, er hätte den Seraphim von mir erzählt und sie gebeten, mich den Stein behalten zu lassen«, sagte ich verwirrt. »Wenn er das gar nicht gemacht hat, wieso habe ich ihn dann immer noch?« »Weil Kairos ihnen auch nicht erzählt hat, dass du den Stein hast.«
»Aber warum nicht?«, fragte ich. Ich konnte nicht mehr denken, alles fühlte sich taub an. Ich brauchte eine Antwort und ich blickte einfach nicht genug durch, um selbst darauf zu kommen.
Barnabas rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und zog seinen Mantel dichter um sich. »Ich nehme an, Kairos will, dass du vernichtet wirst, damit er seinen Platz nicht freigeben muss. Denn wenn die Seraphim rauskriegen, dass du existierst - wenn auch tot -, werden sie ihn zwingen, sich ihrem Willen zu beugen. Nur wenn du vernichtet wirst, werden sie ihm erlauben müssen, der schwarze Zeitwächter zu bleiben, während das Rad sich weiterdreht.«
Darum hat er mich getötet und dann verfolgt. Er wollte meine Seele ganz und gar vernichten. Wieder stieg Panik in mir auf. »Nein. Du irrst dich. Ich hab bloß das falsche Amulett«,beharrte ich. »Ich muss es ihm einfach zurückgeben. Und Nakita muss ich ihr Amulett auch wiedergeben«, brabbelte ich weiter, während Barnabas sich nach hinten fallen ließ und an die Decke starrte. »Sag ihr, dass es mir leidtut. Vielleicht lässt sie Josh dann am Leben.«
»Wenn Nakita dich findet, bringt sie dich zu Kairos«, sagte Barnabas zur Decke. »Dass es dir leidtut, ändert da gar nichts dran. Du hast das Amulett
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