Totgekuesste leben laenger
einer Türöffnung hervor und verschwand wieder, als sie mich schimpfen hörte. Vermutlich dachte sie, dass ich mich wegen Josh so aufregte, und nicht etwa über ein kleines Missverständnis, was Licht und Finsternis anging.
Barnabas war mit den Gedanken offensichtlich woanders. »Ich verstehe nicht, was Ron da vorhat«, murmelte er mit abwesender Miene vor sich hin. Er merkte gar nicht, dass ich gerade eine Art Zusammenbruch hatte »Ich glaube an den freien Willen, aber nach dem, was passiert ist, bin ich mir nicht mehr sicher. Du, Madison bist ein netter Mensch und ich mag dich, aber du hast die Schwarzflügel in Nakita gelassen. Das ist… schrecklich. Vielleicht haben die Seraphim doch recht. Vielleicht musst du wirklich dorthin gehen, wo du hingehörst. Vielleicht hat das Schicksal doch seinen Platz in der Welt. Es zu bekämpfen, hat jedenfalls alles noch schlimmer gemacht.«
Wo ich hingehöre? Meint er jetzt, nach Hause zu meinem Dad oder ins Grab? Ich schluckte vernehmlich. Schließlich war ich nicht diejenige, die aus dem Himmel rausgeschmissen worden war. »Das war ein Unfall.«
»War es auch ein Unfall, dass du geübt hast, dich unsichtbar zu machen?«, fragte er ernst. »War es ein Unfall, dass du diese Fähigkeit benutzt hast, um die Macht zu zerstören, die Nakitas Amulett über dich hatte? War es ein Unfall, dass sie durch dich hindurchgefallen ist? Oder war das Schicksal?« Langsam wiegte sich sein Kopf vor und zurück, die dunklen Locken wippten. »Ich hätte schon eher dahinterkommen können, was Ron vorhat.« Seine Augen verengten sich. »Aber ich wollte es einfach nicht glauben. Und ich kann's immer noch nicht glauben.« Mein Mund war ganz ausgetrocknet. Was hatte Ron denn nun vor? Barnabas wusste etwas und ich nicht, aber bei Gott, ich würde es herausfinden.
»Barnabas«, fing ich an, aber in dem Moment klingelte das Telefon an der Empfangstheke und die Krankenschwester kam wieder und hob ab. Sie lächelte mir aufmunternd zu, um mir zu bedeuten, dass mit Josh alles in Ordnung war. Oder dass es ihm zumindest nicht schlechter ging. Abwesend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Ich hörte ein trockenes Blatt rascheln und zog es mir aus dem Haar. Einen Augenblick lang behielt ich es in der Hand, dann legte ich es auf den Tisch neben mir. Wollte ich die Wahrheit wirklich hören? Und ob!
Ich starrte Barnabas' grauen Mantel an, der sich kaum von dem staubigen Teppich abhob. Ob das vielleicht seine getarnten Flügel waren? Dann wanderten meine Gedanken zurück zu Ron. Ich sah wieder vor mir, wie er Barnabas auf dem Schulparkplatz von mir weggezerrt hatte und wie er ihm gerade eben befohlen hatte, den Mund zu halten. Wie unangenehm sich seine Hand auf meiner Schulter angefühlt hatte, als er mich trösten wollte!
»Barnabas«, flüsterte ich, »was will Ron mir nicht sagen?«
Ich blickte auf und sah, wie sich seine Kiefer verkrampften. »Dazu habe ich keine Recht.« Vor Angst gab mein Herz einen Klopfer von sich und war dann wieder still. »Du willst es mir doch sagen. Auf dem Schulparkplatz hast du's schon versucht. Wenn du wirklich an den freien Willen glaubst, dann sag es mir jetzt, damit ich die richtige Entscheidung treffen kann.«
Er hob den Blick, der zuerst auf mein Amulett fiel und dann auf mein Gesicht. Ich zitterte.
»Ron hält vor den Seraphim geheim, wer du bist, damiter das Gleichgewicht zwischen Schicksal und freiem Willen verändern kann, indem er dich in die Irre führt«, erklärte er sachlich. »Zumindest glaube ich, dass es das ist, was er tut.«
»Er hat doch gesagt, dass er mit ihnen reden will«, protestierte ich und hielt dann inne. »Er führt mich in die Irre?Wozu denn?«
Die Augen unverwandt auf meine gerichtet, sagte Barnabas leise: »Du bist die neue Zeitwächterin, Madison. Die schwarze.«
»Bin ich nicht«, widersprach ich empört.
Doch anstatt mit mir zu streiten, lächelte er nur bitter. »Ich hab dir doch gesagt, dass es einen Grund gibt, warum du meine Gedanken nicht berühren kannst«, sagte er und sein Blick suchte wieder mein Amulett. »Du hast das Amulett eines schwarzen Zeitwächters. Andernfalls lägen unsere Resonanzen nahe genug beieinander, dass wir kommunizieren könnten, aber so liegen sie an unterschiedlichen Enden des Spektrums. Ron weiß das. Ron weiß alles. Er sagt es nur nicht.«
Ich griff nach dem schwarzen Stein und ließ ihn dann wieder los.»Vielleicht funktioniert es nur nicht, weil ich tot bin.
Barnabas wandte sich ab, seine
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