Totgelebt (German Edition)
nämlich im zweiten Semester fast gar nicht mehr, zunächst nur noch sporadisch, dann gar nicht mehr. Die Übung ging über zwei Semester. Letztes Jahr war sie häufiger da. Es besteht ja auch keine Teilnahmepflicht, aber ich erwarte doch ein bisschen Engagement. Sonst funktioniert so etwas nicht. Dann hatte sie sich zu Beginn diese s Semesters für ein Referat gemeldet, erscheint aber einfach nicht mehr. Sagt nicht ab, meldet sich nicht. Gar nichts. Das hat mich, ehrlich gesagt, geärgert. Das ist eigentlich alles was ich über das Mädchen weiß. Ansonsten Durchschnitt und unauffällig.“ Damit endete er.
„Wie sieht es denn mit den anderen Teilnehmern der Übung aus. War sie mit einem der anderen befreundet, saß sie immer neben derselben Person, lernte sie mit den anderen, teilte sie sich die Referate?“, versuchte Max noch ein bisschen mehr herauszubekommen.
„Nein, sie war eher eine Einzelkämpferin. Sie kam immer allein zur Übung und ging dann auch alleine. Die Anzahl der Übungsteilnehmer ist recht überschaubar. Wir sind insgesamt nur acht Leute, deshalb ist mir Frau Jansen ja auch nur aufgefallen. Ich habe gleich ein Seminar, da sind zwei Studentinnen, die auch in der besagten Übung sind. Wenn sie möchten, können sie sich kurz mit den beiden unterhalten.“ Max nickte, dankbar für sein Erntgegenkommen.
Das Gespräch mit den beiden Jungen, die Lotte Jansen gefunden hatten, brachte keine neuen Erkenntnisse. Die Jungs, beide siebzehn Jahre alt, wollten sich in dem Waldstück an dem Abend gemütlich niederlassen, eine Flasche Wein trinken und, so vermutete Paula, dazu ein bisschen Gras rauchen. Das sagten sie ihr zwar nicht, ihre Versuche, sich raus zu winden waren aber eindeutig. Die Angst vor den Eltern war deutlich zu spüren. Sie hatten sich heimlich aus dem Haus des e inen Jungen geschlichen. Tatsächlich waren sie erst gegen halb zwölf am Fundort angekommen. Sie sahen von weitem etwas auf dem Boden liegen, vermuteten zuerst ein totes Reh und gingen näher auf die Stelle zu. Dann entdeckten sie, dass es eine Leiche war. Beide hatten nichts berührt und sich, nachdem sich die erste Panik und der erste Schock gelegt hatten, vorbildlich verhalten. Sie hatten mit ihrem Handy die Polizei angerufen. Da sie den beiden wirklich dankbar war, bohrte sie erst gar nicht nach. Sie kannten Lotte Jansen nicht und hatten nichts Näheres mit der Sache zu tun. Sie schickte die beiden nach einem zehnminütigen Gespräch nach Hause und war genauso klug wie vorher. „Gut“, sagte sie zu sich selbst, dann wollen wir mal schauen, ob der Bruder nicht doch etwas zu sagen hat. Sie packte ihre Tasche, schaute sich noch mal um, vergewisserte sich, dass alles wichtige verschlossen war und verließ den Raum.
„Meine Mutter ist nicht da. Sie ist beim Bestatter, wir bekommen Lotte morgen zurück und dann können wir sie beerdigen.“, sagte der Junge etwas unwirsch. Immerhin kann er doch reden, dachte sich Paula.
„Also, was wollen sie noch hier?“, hakte er nach und versuchte dabei besonders abweisend auszusehen.
„Mit dir reden, wenn das möglich ist. Ich hoffe, ich darf noch du sagen. Darf ich einen Augenblick herein kommen. Es wird bestimmt nicht lange dauern. Versprochen.“, versuchte Paula den Jungen friedlich zu stimmen. Er zögerte, war ganz offensichtlich unschlüssig. Gerne ließ er Paul a nicht hinein, das war ihm anzusehen.
„O kay . Ich habe aber nicht viel Zeit, ich muss gleich noch weg.“, sagte er und machte die Türe weit auf, so dass Paula in die Wohnung treten konnte. Dabei sah er demonstrativ auf seine Armbanduhr. „Gibt es irgendwas neues über Lottes Tod?“, fragte er.
„Nein, leider nichts Bedeutendes. Deine Mutter wird dir ja bestimmt schon berichtet haben, dass feststeht, dass Lotte sich selbst das Leben genommen hat. Daran besteht kein Zweifel. Aber wir sind uns ziemlich sicher, dass sie bei ihrem Tod nicht alleine war. Und wir möchten gerne herausfinden, wer ihr dabei geholfen hat.“ Sie sah Erik Jansen nun direkt ins Gesicht und er hielt ihrem Blick stand.
„Ich zumindest nicht, falls sie darauf anspielen wollen. Ich habe mit ihrem Tod nichts zu tun. Im Gegenteil, ich habe doch dadurch nur Nachteile, ich muss mich jetzt alleine mit der Irren hier im Haus rumschlagen, habe sie komplett alleine am Hals. Schlimmer hätte es ja gar nicht mehr werden können.“ Er schluckte schwer.
„Darf ich mich kurz setzen“, inzwischen waren sie im Wohnzimmer angekommen. Er machte
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