Totgelebt (German Edition)
eine Geste, die Zustimmung ausdrücken sollte und setzte sich selbst in den Sessel, Paula gegenüber, die auf der Couch Platz nahm, auf der sie schon beim ersten Besuch in der Wohnung mit Max gesessen hatte. Neben ihr lag die Tageszeitung von Samstag mit Lotte auf der Titelseite. Der Junge wirkte angespannt, er presste seine Hände zusammen, so dass die Knöchel weiß hervortraten. Doch sein Blick wirkte verschlossen.
„Gut, damit wären wir direkt beim Thema. Ich finde es eigentlich ganz gut, dass deine Mutter nicht da ist, Erik. Ich würde gerne von dir erfahren, warum sich Lotte das Leben genommen hat. Warum war sie so verzweifelt, dass sie einfach nicht mehr leben wollte. Ich bin mir sehr sicher, dass du mehr darüber weißt. Du lebst hier in einer Wohnung mit deiner Schwester, und auch du scheinst nicht gerade glücklich zu sein. Ich vermute mal, dass Lotte es aus ähnlichen Gründen nicht war. Also habt ihr beide doch bestimmt zusammengehalten.“ Sie machte eine Pause und gab Erik damit die Möglichkeit nachzudenken, sich zu öffnen und zu erzählen. Doch er schwieg. Er hatte inzwischen den Kopf gesenkt und starrte auf den Boden. Paula machte noch einen Versuch: „Du hast mir gerade erzählt, dass du dich von Lotte verlassen fühlst, dass du nun alleine mit deiner Mutter zurückbleiben musst. Ist es das? Hat Lotte die Situation hier zu Hause mit eurer Mutter nicht mehr ausgehalten?“
„Schauen sie sich doch einfach mal genau um, dann beantwortet sich ihre Frage doch wohl von alleine, oder? Das ist doch alles eine Scheiße hier, nicht auszuhalten. Meine Mutter säuft den ganzen Tag, ist schon erstaunlich, dass sie es geschafft hat zum Beerdigungsinstitut zu gehen. Sie säuft, dann schreit sie rum, dann liegt sie auf der Couch und schläft. So geht das den ganzen Tag. Richtig gemütlich. Aber das hat Lotte nicht umgehauen. Das geht ja schon seit Jahren so, seitdem mein Vater weg ist. Keine Ahnung, was sie dazu getrieben hat. Und wissen sie was, es interessiert mich auch nicht. Es ist doch vorbei, ist ja nicht mehr zu ändern.“ Seine Stimme wurde leiser und bebte, „Sie ist weg und ich sitze hier in der Falle, mit dieser verfluchten alten Säuferin.“
Paula merkte, dass der Junge nicht mehr zu sagen hatte, oder nicht mehr sagen wollte. Sie fragte noch einmal nach „Mehr we ißt du wirklich nicht darüber?“ Er schüttelte nur den Kopf.
„Gut. Noch eine Frage. Kennst du diesen Freund, den Lotte zuletzt hatte. Eure Mutter hat einen Freund erwähnt. War es ihr fester Freund?“
Erik lachte auf „Lotte hatte noch nie einen Freund und dieser Typ war ganz gewiss nicht ihr fester Freund. Egal was meine Mutter erzählt hat, es war ganz bestimmt nicht ihr Freund. Verlassen sie sich darauf.“ Erik erhob sich und zeigte Paula damit deutlich, dass für ihn das Gespräch beendet war und das sie die Wohnung nun zu verlassen hatte. An der Tür gab sie dem Jungen ihre Visitenkarte. „Wenn dir noch etwas einfällt, egal was, rufe mich bitte an. Auch wenn du einfach über irgendwas reden möchtest, ja?“ Erik nahm die Karte und ließ sie in der Tasche seiner Jeans verschwinden. „Und noch etwas, nachher kommt noch einer meiner Kollegen von der Spurensicherung vorbei, er wird sich noch einmal in Lottes Zimmer umsehen.“
Max begleitete den jungen Dozenten zu seinem Seminarraum. Vor dem Raum warteten ein paar Studenten darauf, dass die Türe aufgeschlossen wurde. Der Universitätsmitarbeiter nickte den Studenten zu und ging auf zwei junge Mädchen zu. Er stellte Max kurz vor und erklärte sehr leise, worum es ging. Er bat die beiden, doch hier draußen mit Max zu sprechen, während er die anderen Kursteilnehmer schon in den Raum führte. Er schaute zu Max rüber und verabschiedete sich kurz, dann schloss er die Türe. Die beiden Mädchen schauten Max erwartungsvoll an. Offenbar waren sie beeindruckt und neugierig. Max wiederholte noch einmal sein Anliegen, etwas ausführlicher, als es der Uni-Dozent gemacht hatte. Der Name Lotte Jansen sagte den beiden spontan rein gar nichts. Das fiel ihm sofort auf. Erst als er sie beschrieb und erwähnte, dass sie gemeinsam das entsprechende Übungsseminar besucht hatten, und Lotte Jansen in diesem Semester trotz Referatsübernahme nicht mehr erschienen war, konnten sich die beiden an sie erinnern. Allerdings nur vage.
„Die fiel keinem auf, so eine graue Maus. Hat sich immer ganz hinten in die hinterste Ecke verkrochen, das war natürlich bei acht Leuten ziemlich
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