Totgelebt (German Edition)
Susann vielleicht eure Betreuerin?“
Der Junge nickte eifrig, wobei ihm die Baseball-Kappe etwas schräg vom Kopf glitt. Er schnappte sie noch rechtzeitig auf und winkte die beiden hinein. „Also Susann ist für unsere WG zuständig, wenn wir Probleme haben und so. Oder wenn wir etwas unterschreiben müssen. Sie ist aber im Moment nicht da . “ Er schaute auf die große Uhr, die im Flur hing. „Sie kommt normalerweise erst wieder heute Abend vorbei, immer abends und morgens. Aber heute könnte es anders sein, wegen Leon. Ist ja alles anders. Heute ist keiner von uns zur Schule gegangen. Ich kann Susann anrufen, wenn Sie das möchten. Der Älteste hier ist Gregor, der ist da. Soll ich ihn holen?“ Der Junge schien freundlich und hilfsbereit zu sein.
„Das wäre sehr nett. Wir würden gerne mit Gregor ein paar Worte wechseln. Un d es wäre auch sehr nett, wenn d u Susann Bescheid sagen würdest, dass wir mit ihr sprechen möchten. Kannst du mir sagen, wie viele Leute überhaupt hier in dieser WG wohnen und wie alt sie sind?“ fragte Paula.
„Insgesamt sind wir fünf, das heißt jetzt sind wir ja nur noch vier, weil Leon nicht mehr da ist. Gregor ist siebzehn, er zieht bald aus, sagt er, sobald er achtzehn ist, das dauert nicht mehr lange, dann ist er weg. Dann gibt es noch Luca, er ist fünfzehn und Frederik, er ist auch siebzehn und ich bin Benedikt, fünfzehn, werde aber bald sechzehn. Leon wäre auch bald sechzehn geworden. Mehr gibt es hier nicht, keine Frauen, das sorgt nur für Unruhe“, sagte er altklug, „außer Susann natürlich.“ Und dann rannte er die Treppe hoch.
Max und Paula hörten, wie er an eine Türe klopfte. Das gab den beiden Ermittlern die Möglichkeit, sich kurz im Haus umzuschauen. Sie standen in einem großen Flur. Offenbar gab es zwei Etagen in dem Haus. Unten befanden sich eine große Küche und ein sehr großer Raum. Der Gemeinschafts- oder Aufenthaltsraum, vermutete Paula. Viel konnte sie vom Flur jedoch nicht erkennen. Außerdem entdeckte sie noch zwei weitere Zimmertüren. Eine Treppe führte nach oben, dort waren vermutlich einige Zimmer der Jungen. Nach einigen Minuten kam Benedikt wieder die Treppe hinunter, gefolgt von einem weiteren Jungen, der Benedikt um einiges überragte. Dieses Mal stellte Paula sich und Max vor. Gregor führte die beiden in den Aufenthaltsraum, wo ein anderer Junge vor dem Fernseher saß. „Können wir einen Augenblick mit dir alleine sprechen?“, fragte Paula. Der andere Junge blickte hoch, stand mürrisch auf und verließ, ohne ein Wort zu sagen, den Raum.
„Ich rufe jetzt Susann an“, Benedikts Kopf erschein kurz im Türrahmen.
„Vielen Dank“, Paula schaute ihn freundlich an. „Also, die Polizei hat ja bereits alle Mitbewohner darüber informiert, was mit Leon passiert ist. Wir möchten gerne mehr über Leon wissen, was er den ganzen Tag getan hat, wer seine Freunde waren, womit er seine Freizeit verbracht hat, seine Hobbies zum Beispiel und vor allem, warum er sich umgebracht hat.“ Paula schaute Gregor direkt in die Augen. Dieser senkte sofort seinen Kopf und wich ihrem Blick aus. „Ich weiß gar nicht, was das soll. Der kleine Spinner hat sich umgebracht, warum fragt ihr da nach. Es war Selbstmord, hat uns Susann erzählt, das hat ihr zumindest heute Morgen die Polizei gesagt. Er ist weg, das ist alles. Was gibt es da noch zu hinterfragen?“, begann Gregor sofort.
Paula stoppte ihn, sie war schockiert von der Art, wie Gregor über seinen toten Mitbewohner sprach. Gregor war ein fast erwachsener Mann, sie konnte die Abfälligkeit Leon gegenüber nicht nachvollziehen.
„Es gibt Unstimmigkeiten, die se müssen wir prüfen. So ist das. Also, k annst du uns bitte ein bisschen mehr über das Leben von Leon sagen, mit dem du hier zwei Jahre unter einem Dach gewohnt ha st ?“
Gregor schüttelte den Kopf, sein Blick verriet Wut „Ne, kann ich nicht und ehrlich gesagt, will ich auch nicht. Der ging mir nämlich echt am Arsch vorbei. Saublöd der Kerl und ne Heulsuse, wie er im Buche steht. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ich habe mich für sein Leben nicht im geringsten interessiert. Hatte keinen Kontakt zu dem. Der hat immer nur mit seinem Hund in der Ecke gesessen und geflennt. Als die Töle dann kaputtgefahren worden ist, hat er halt alleine auf seinem Zimmer gehockt und die Wände angestarrt. Alle waren angeblich böse zu ihm, keiner hatte ihn lieb. Unerträglich. Echt. Ist doch kein Wunder, dass so einer überall fertig
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