Totgelesen (German Edition)
gehen und nicht als Hure. Dieser dreckige Hund soll die Finger von unserer kleinen Birgit lassen.« Schindler schluckte, als er merkte, dass er von seiner Tochter in der Gegenwart sprach. Die Wut, die ihn eben noch gepackt hatte, strömte aus ihm wie bei einem geplatzten Luftballon. »Ich kann es einfach nicht glauben, dass sie nicht mehr da ist. Immer denk ich, sie kommt jeden Moment bei der Tür rein. Meine Frau läuft beim kleinsten Geräusch raus, um nachzusehen, ob sie heimgekommen ist. Aber sie kommt nicht. Sie wird nie wieder kommen. Können Sie sich das vorstellen? Nie wieder wird sie hier mit mir sitzen. Und das alles nur wegen diesem Schwein.« Schindlers Blick wanderte zu Boden, seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser.
»Es tut mir leid, was Sie durchmachen. Ein überraschender Tod, ist immer schwer zu verkraften. Trotzdem muss ich Sie bitten, mir genauer zu erklären, warum Sie auf die Idee kommen, der Freund Ihrer Tochter könnte Schuld an ihrem Tod sein.« Specht hatte zwar Mitleid mit dem Mann, aber nicht genug, um die Befragung aufzuschieben.
»Er ist verheiratet. Zwar angeblich kurz vor der Scheidung, aber noch verheiratet. Deshalb haben wir ihr den Umgang mit ihm verboten.« Er nickte, wie um die Richtigkeit seiner Entscheidung zu unterstreichen.
»Das hat sich Ihre Tochter doch nicht verbieten lassen, oder?« Specht entschied sich bewusst zur Provokation, da die sentimentale Phase von Schindler vorbei zu sein schien. Natürlich reagierte der Mann dementsprechend. Seine Stimme schallte lauter als vorher durch den Raum und seine Augen blitzten Specht aggressiv an.
»Natürlich, ich bin schließlich ihr Vater.«
»Was hat der Mann dazu gesagt?«
»Sie hat ihn nur noch einmal gesehen. Damals, als sie mit ihm Schluss gemacht hat. Ein Mann, der bereits verheiratet ist, hat keine andere Frau zu lieben und schon gar nicht meine kleine Birgit.« Die Gewissheit, seine Familie unter Kontrolle zu haben, senkte Schindlers Aggressivität merklich.
»Einmal hat er sich getraut, hier anzurufen, aber da haben wir ihm klipp und klar die Meinung gesagt, diesem Bigamisten, diesem Ehebrecher. Ich habe ihm klar gemacht, dass nur ich weiß, was gut für mein Kind ist. Dann habe ich Birgit den Hörer gegeben und sie hat diese leidige Angelegenheit beendet.«
»Wieso kommen Sie nun auf die Idee, er könnte es gewesen sein?« Spechts Blick schweifte von Schindler ab zu einem Gesteck aus Trockenblumen, die ihre Köpfe hängen ließen, als seien sie genauso traurig wie die restlichen Bewohner des Hauses.
»Wer sollte es sonst sein? Sie hatte kaum Freunde. Ging kaum aus. Jeder mochte sie.«
»Was können Sie mir über den Mann sagen?« Eigentlich wollte Specht das Wort Liebhaber verwenden, entschied sich aber dann doch dagegen. Man merkte, wie sehr der Mann trauerte - wozu ihn noch verärgern.
»Sie hat uns nie seinen Namen genannt. Wir wissen nur, dass er aus Graz stammt, getrennt von seiner Frau und den zwei Kindern lebt, irgendwo in Leoben oder St. Michael, angeblich bei einem Freund.
***
»Gegen ihn liegen überhaupt keine Verdachtsmomente vor. Andreas Beiel ist ein bekannter Mann. Der kann uns die Hölle heiß machen, wenn du falsch liegst.« Die drei Ermittler saßen in Hofers Büro, um die Ergebnisse des Tages noch einmal durchzusprechen. Ein langer Tag lag hinter, ein arbeitsreicher Sonntag vor ihnen. Dementsprechend ausgelaugt und unkonzentriert fühlten sie sich. Hofer brütete hinter seinem Schreibtisch über den Ermittlungsberichten und bestand darauf, den Mörder bereits gefunden zu haben. Während Specht - auf der anderen Seite des Schreibtisches - diese Ansicht nicht teilte.
»Vielleicht war es jemand aus dem Bekanntenkreis oder ihren Familien. Schließlich stammen Mörder meist aus dem direkten Umfeld der Opfer.« Das war eine Tatsache, die kein Ermittler bestreiten würde. Um das Ganze zu untermauern, lieferte Specht auch gleich einen Verdächtigen dazu.
»Nußbaumers Exmann zum Beispiel. Der hat zwar ein Alibi, aber vielleicht hat er sich jemanden gesucht, der die Drecksarbeit für ihn erledigt hat. Und bei Frau Schindler schaut es auch nicht viel anders aus. Deren Eltern sind sich sicher, dass es ihr Exfreund war. Das besagt zwar nichts, dennoch sollten wir diese Tatsache nicht ignorieren, bevor wir uns auf deine Gefühle verlassen.«
Monika hockte still auf ihrem Sessel und haderte mit ihrem Schicksal, dass ihr Instinkt sie diesmal vollkommen hängen ließ. Sie blickte sich suchend nach
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