Totgelesen (German Edition)
irgendetwas um, das sie anstarren konnte, um ihren Blick zu bündeln und ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Ihr probates Mittel, aber da war nichts. Der winzige Raum war leer - vom Schreibtisch und der nicht wegzudenkenden Hardware abgesehen. Nichts, sogar das obligatorische Bild des Bundespräsidenten an der Wand fehlte. Nicht einmal aus dem Fenster konnte sie schauen … nur schwarze Nacht.
Notgedrungen beobachtete sie Hofer, der anscheinend alle bisherigen Berichte nochmals durchackern wollte - so versessen, wie er die Papiere durchlas und dabei Specht ignorierte, der auf ihn einredete. Doch als er plötzlich von zwei Mördern anfing, musste Monika protestieren.
»Ich dachte, wir sind uns einig, beide Frauen wurden vom gleichen Täter ermordet.
»Vielleicht hat Nußbaumer beide umgebracht.«
Dass diese Aussage auch Hofers Interesse auf sich zog, war klar. Er sah von seinen Unterlagen auf, um über seine schwarze Lesebrille hinwegblickend zu fragen: »Was? Wieso, sollte er das tun? Er kannte die Schindler doch gar nicht.«
»Wenn du mal aufhören könntest, darüber nachzudenken, wie du an einen Durchsuchungsbefehl für Beiels Auto rankommst, könnte ich euch erzählen, was ich heute erfahren habe.«
Endlich war das Interesse seiner Kollegen geweckt. Jetzt brauchte Specht nur noch seine Schlussfolgerungen darlegen. Das machte er, indem er aufstand, das kleine Zimmer durchquerte und sich ans Fensterbrett lehnte. Damit war Hofer gezwungen, sich umzudrehen, seine Akten auf dem Schreibtisch zu vergessen und Specht seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen.
»Frau Schindler hatte einen Freund; das habt ihr inzwischen ja mitbekommen. Ihre Eltern - übrigens ein Paar mit Ansichten aus der Steinzeit - sind sich sicher, dass dieser Freund der Mörder ist. Warum sie davon so überzeugt sind, weiß ich noch nicht, aber es ist ein Anhaltspunkt. Auf jeden Fall haben ihre Eltern ihr verboten, mit ihm zusammenzuziehen. Woraufhin sie mit ihm Schluss gemacht hat. Kommt euch das bekannt vor?«
»Was soll uns bekannt vorkommen?« Monika konnte es nicht ausstehen, auf der Leitung zu stehen. Was sie ja normalerweise auch nicht tat, doch diesmal hatte sie keine Ahnung, wovon ihr Kollege sprach.
Dankenswerterweise klärte er sie prompt auf.
»Na ja, eine Frau, die - aus welchen Gründen auch immer - einen Typ abserviert hat. Genau wie Frau Nußbaumer.«
»Soll das heißen, jede Frau, die sich von ihrem Freund trennt, ist in Lebensgefahr?« Monika verzog ihr Gesicht bei dieser absurden These. Hofer verlor das Interesse und widmete sich wieder seinen Unterlagen. Nun war die Zeit für Specht gekommen, die entscheidende Information an seine Kollegen weiterzugeben.
»Nein, eine Trennung alleine ist sicher noch kein Mordmotiv, obwohl wir des Öfteren solche Fälle hatten, das müsst ihr zugeben. Was mich in diesem Fall stutzig gemacht hat, ist die Beschreibung von Schindlers Ex.« Er ließ eine theatralische Pause, in der Monika ihn gespannt ansah und Hofer zwar in seinen Berichten blätterte, aber man dennoch merkte, dass er auf die Beschreibung gespannt war.
»Laut ihrer Eltern kam er aus Graz, hatte zwei Kinder, stand kurz vor der Scheidung und wohnt bei einem Freund in Leoben oder Umgebung.«
»Du meinst also, Nußbaumer könnte der Freund von Frau Schindler gewesen sein?«, schlussfolgerte Monika. Hofer sagte nichts, wendete sich allerdings wieder Specht zu.
»Frau Nußbaumer hat ihn rausgeschmissen, daraufhin zieht er nach Leoben. Vielleicht hat er bereits damals den Entschluss gefasst, sie umzubringen. Keine Ahnung. Jedenfalls lernt er Birgit Schindler kennen und verliebt sich wieder. Er vergisst seine Frau - bis er wieder verlassen wird. Was einige Sicherungen bei ihm durchbrennen lässt. Er sucht sich jemanden, der seine Frau umbringt, um aus dem Schneider zu sein. Bei seiner Freundin kann er selbst Hand anlegen - mit der kann ihn keiner in Verbindung bringen, das weiß er.«
»Warst du bei Nußbaumer?« Hofer stieg - rhythmisch mit einem Bleistift auf den Tisch klopfend - wieder in die Diskussion ein.
»Ja, er bestreitet, Frau Schindler jemals gesehen zu haben. Angeblich hat er zur Tatzeit gepennt, musste seinen Rausch ausschlafen, den er sich zugelegt hatte, um den Tod seiner Frau zu verkraften. Als ich heute hinkam, war er auch sternhagelvoll.«
Specht kehrte zum Schreibtisch zurück, überzeugt, die Aufmerksamkeit der Kollegen auch so zu genießen.
»Was ist mit Bekannten und Freunden von Frau Schindler, die
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