Totgelesen (German Edition)
Martin rammte seinem Bruder den Ellbogen in den Bauch, woraufhin dieser zu weinen begann.
»Ist schon gut, Jungs. Ist ja egal, wer es gefunden hat. Es ist also von euch beiden. Was ist es denn?«
Christoph wischte sich seine rotzige Nase am Ärmel seines Pullovers ab und hielt Monika seine Faust unter die Nase. Feierlich öffnete er sie und zeigte ihr, was sich darin befand.
Montag, 1. März
Es ist Samstagabend, und die Dinge stehen schlecht …
Die erste Zeile des Ohrwurms der EAV wiederholte sich immer wieder in Monikas Kopf. Zwar war es nicht Samstagabend, sondern Montagmorgen, aber die Dinge standen schlecht. Sie versuchte sich zu konzentrieren, doch die EAV ließ sie nicht dazu kommen.
»Die Dinge stehen schlecht, ich bin auf der Suche … Nach was? Nach wem? Die Dinge stehen schlecht.«
Monika schüttelte den Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen und griff sich an die Stirn.
Die Mordermittlungen drehten sich im Kreis. Specht durchleuchtete das Umfeld von Nußbaumer und Hofer konzentrierte sich auf Beiel. Er wollte unbedingt einen Weg finden, den Durchsuchungsbefehl für Beiels Wagenpark zu ergattern. Doch die Chancen dafür standen ebenfalls schlecht. Bei einem Normal-sterblichen wäre die Tatsache ausreichend gewesen, dass ein silberner Mercedes mit Grazer Wunschkennzeichen gesehen worden war. Bei einem Prominenten - noch dazu einem, der sich die teuersten Anwälte der Stadt leisten konnte - war dies nicht genug. Und Monika hatte keine Ahnung, was sie davon halten sollte, sie hatte ja nicht einmal eine Ahnung, was sie denken sollte. Hofer brachte sie durcheinander. Er war so überzeugt, so sicher. Es war, als ob er ihr ihre Sicherheit genommen hätte. Sonst wusste sie immer, wo es lang ging. Aber neben ihm fühlte sie sich wie eine Anfängerin.
Den heutigen Tag wollte sie deshalb nutzen, um sich für die kommende Pressekonferenz vorzubereiten. Langsam war die Zeit gekommen, die Presse darüber zu informieren, dass die Morde den Büchern des Grazer Autors nachgestellt waren. Den Medienrummel, den das verursachen würde, wollte sie sich gar nicht vorstellen. Bisher war es ihnen gelungen, die Tatsache geheim zuhalten, dass beide Opfer erstochen wurden. Lange würde es sicher nicht mehr dauern, bis ein findiger Journalist das herausfand. Deshalb hatten sie sich geeinigt, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären.
Sie schaffte es nicht, ihre Gedanken zu fokussieren, immer wieder kam:
Um ihren Kopf frei zu bekommen, versuchte sie an etwas Positives zu denken: ihre Neffen. Sie dachte auch an ihre Schwester und Ärger überkam sie. Wie konnte sie es wagen … Entschlossen nahm sie ihr Handy aus der Jackentasche. Beim dritten Klingeln legte sie auf. Was war so schlimm daran, es auszuprobieren? Es gab nicht allzu viele Möglichkeiten, nette, kultivierte Männer kennenzulernen? Sie seufzte. Deprimiert lehnte sie sich in ihrem Schreibtischsessel zurück und schloss die Augen.
Entschlossen, sich nicht mehr aus der Ruhe bringen zu lassen, nahm sie die oberste Akte vom Stapel ihrer Posteingangsablage. Das schriftliche Protokoll einer - laut Bundespolizeidirektion - einwandfreien Verhaftung, für alle nachzulesen, für alle nachzuahmen.
Monika schüttelte den Kopf; haben die nichts Besseres zu tun? Sie stellte sich vor, wie Specht Nußbaumer verhaftete. Sah, wie er ihm die Hände auf dem Rücken verschränkte und ihm Handschellen anlegte. Nußbaumers Antlitz wurde zu dem von Beiel - Spechts zu Hofers. Der Polizist stieß ihn ins Auto, bereit, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Wieder wechselte das Gesicht. Monika saß hinter dem Steuer; doch wer war hinter ihr? Wer war der Täter?
Verärgert knallte sie ihre Hand auf die Tischplatte.
***
»Wie soll es nun weitergehen?«, fragte Gerhard Strimitzer so emotionslos wie möglich. Er kochte vor Wut. Er wollte ihn anschreien, ihm einmal so richtig die Meinung sagen. Doch er blieb höflich und fraß die Wut in sich hinein. Wenn es sich einrichten ließ, kommunizierte er mit ihm nur am Telefon. Sein
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