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Totgelesen (German Edition)

Totgelesen (German Edition)

Titel: Totgelesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Rieger
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Klient war der einzige Mensch, bei dem er nicht sicher war, sich genug unter Kontrolle zu haben, um nicht handgreiflich zu werden.
    Früher verstand er unter Hass den Ärger, den ihm sein Nachbar wegen dem überhängenden Ast seiner Kastanie machte oder die Spannung, die herrschte, wenn sich seine Eltern wieder einmal in den Haaren lagen. Aber diesen tiefen, innigen Hass hatte er erst durch Beiel kennengelernt. Es lag nicht nur an seiner arroganten Art oder dem Befehlston, mit dem er ihn herumkommandierte. Es war nicht nur seine Überheblichkeit, die jedem zeigen sollte: Ich bin Gott - du nicht mal ein Wurm. Diesen Hochmut hatte er auch bei anderen Klienten kennengelernt. Immer war er mit den Reichen und Schönen dieser Welt gut zurechtgekommen. Auch wenn er nur ein »Laufbursche« für sie war, mit der Zeit hatten sie ihn akzeptiert und sich ihre Arroganz für andere aufbehalten.
    Mit der Überzeugung, alles zu schaffen und der Hoffnung, seine Kontakte nutzen zu können, gründete er seine eigene Firma. Literaturagentur Strimitzer, wie vielversprechend sich das anhörte. Nach und nach investierte und riskierte er immer mehr. Nahm noch einen Kredit auf, bettelte eine weitere Bank an … immer mit der Hoffnung, endlich jemanden zu finden, der an ihm interessiert war. Doch keiner wollte ihn. Jeder ignorierte sein Lebenswerk. So viel er auch bettelte, so viele Klinken er auch putzte - keiner unterschrieb einen Vertrag bei ihm. Die vielen Kredite, das teure Büro - das alles brach ihm das Genick.
    Beiels Anruf kam an dem Tag, an dem er aufgeben wollte. Der berühmteste Grazer Autor interessierte sich für ihn. Alle Probleme zerplatzten wie Seifenblasen. Mit dem Geld, das Beiel ihm einbrachte, konnte er die laufenden Kosten decken und seine Bankschulden zurückzahlen. Aber das Entscheidendste war: Mit Beiel als Kunden konnte er alle vertreten. Alle, die ihn bisher als unwichtig und prestigelos abgetan hatten, sie würden zu ihm kommen und ihn anflehen, für sie zu arbeiten. Für kurze Zeit war er der glücklichste Mensch auf der Welt. Dieses Gefühl änderte sich schnell.
    Zuerst waren es nur die kleinen Sticheleien von Beiel, die unnötigen Aussagen, die er einem ins Gesicht schleuderte. Dann kam sein Desinteresse. Nie wurde die Frage nach der nächsten Lesung oder nach einer Buchvorstellung ausreichend beantwortet. Oft bekam er gar keine Antwort, Beiel legte einfach auf. Ohne Entschuldigung - ohne Verabschiedung.
    Es war lästig, doch was tat man nicht alles für das liebe Geld? Doch letztlich war alles zum Aushalten bis Strimitzer bemerkte, dass ihn trotz des Rufs, der Literaturagent von Andreas Beiel zu sein, keiner wollte. Keiner hatte Interesse daran, von jemandem vertreten zu werden, der es nicht schaffte, einen Termin zu vereinbaren, der auch eingehalten wurde. Mit jedem Mal, wenn Beiel bei einer Lesung oder einer Signierstunde nicht erschien, bekam Strimitzer mehr Ablehnung von den Autoren, die er gern vertreten hätte.
    Wenn er damals aufgegeben hätte, bevor er von Beiel engagiert worden war, dann hätte er es einfach vermasselt gehabt. Aus, vorbei, nächster Versuch. Doch Beiel hatte ihm Hoffnung gegeben, um nun darauf herumtanzen zu können. Er hatte ihn in der Hand. Das war der Grund, warum er ihn hasste. Er war von ihm abhängig. Seine einzige Hoffnung, sein einziger, rettender Strohhalm war, dass Beiel ihn einmal an jemand anderen empfehlen würde.
    Also stand er hier, schluckte seinen Ärger und Stolz hinunter und versuchte, mit ihm zu telefonieren.
    »Was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt tun? Die Buchhandlung weigert sich, einen neuen Termin mit mir zu vereinbaren, wenn Sie nicht einen Vertrag unterschreiben, der Sie zwingt, auch zu kommen.«
    »Das ist Ihr Job, nicht meiner. Machen Sie was aus. Unterschreiben Sie halt für mich. Wie es dann weitergeht, werden wir schon sehen.«
    Selbst durchs Telefon konnte Strimitzer sich Beiels schadenfrohes Grinsen vorstellen. Als er etwas entgegnen wollte, vernahm er nur das ihm bereits nur zu gut bekannte Tuten der Telefonleitung. Wieder einmal nichts erreicht. Seine Haut brannte. Seine Hände schwitzten. Aus tiefstem Herzen kam sein Hass  und mit einer Wucht, die er sich selbst nie zugetraut hätte, schleuderte er das Telefon gegen die Wand.

    ***

    Er hasste Neumond. In solchen Nächten war es nicht selten - trotz der modernen Beleuchtung, die jede Stadt erstrahlen ließ - so finster, dass er kaum etwas sah. Vor allem auf dem Land war er dann auf eine

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