Totgelesen (German Edition)
informiert zu sein. Doch in diesem Fall wäre es vielleicht angebrachter gewesen, Hofer dieses Detail zu verschweigen. Deshalb wechselte sie schnell das Thema.
»Was tust du heute?« Sie knallte die Schreibtischschublade zu - ohne einen Kugelschreiber gefunden zu haben, lehnte sich in ihrem Sessel zurück und massierte ihre Schläfen.
»Hast du vergessen, dass Neumeister um zehn eine Besprechung einberufen hat?«
Oh Gott, das war Monika wirklich entfallen. Doch da ihr Festnetzanschluss zu läuten anfing, beendete sie das Gespräch mit Hofer, ohne ihm dies zu beichten.
»Guten Tag, ich habe mit ihrem Kollegen gesprochen, wegen der Internethomepage. Meine Frau meinte, er könnte sich vielleicht bei der Firma für mich einsetzen. Ich mein … na ja, Sie wissen schon: Ich brauch das Geld. Die stellen mir doch nun kein Zeugnis aus - zumindest keines, mit dem ich so schnell einen neuen Job finde. Bei Mastermind und Weblog haben sie mich schon abblitzen lassen. Sie wissen ja, die kennen sich alle und wie gesagt, ich brauch das Geld ...«
Monika unterbrach den Mann.
»Na, na, erst mal langsam. Wer sind Sie und wovon reden Sie?« Bei dem Gefasel half die beste Schläfenmassage nichts.
»Oh, ich wusste, ich bin falsch bei Ihnen. Ich habe der Frau, die mich verbunden hat gesagt, dass ich mit einem kleinen Dicken mit Glatze gesprochen habe, aber sie meinte, Sie seien für den Fall zuständig. Sie hat gesagt, Sie wüssten sicher Bescheid.«
Monika ließ ihren Blick über das Chaos ihres Schreibtisches schweifen und überlegte, welcher Inspektor mit den Angaben des Mannes übereinstimmen konnte. Dabei entdeckte sie einen Kugelschreiber, der halb unter einem Aktenstapel heraus blitzte. Sie schnappte sich den Kuli und schmierte die Beschreibung auf den Aktendeckel.
»So, noch mal von vorn. Name und Beruf bitte.«
»Darum geht es ja. Ich heiße Haberl und habe bei der Agentur Pichelbauer gearbeitet. Doch nach dem Besuch ihres Kollegen bin ich entlassen worden und jetzt habe ich keinen Job mehr.«
»Und was wollte mein Kollege von ihnen?« Langsam wurde es Monika zu bunt, diesem Haberl jede wichtige Information aus der Nase ziehen zu müssen. Der Drang, so schnell als möglich aufzulegen, überkam sie. Während er sprach, überlegte sie, ob es sinnvoll wäre, den Rest ihres Lebens auf Alkohol zu verzichten oder nicht. Was der Mann am Ende der anderen Leitung sagte, wurde von ihrem Selbstmitleid verdeckt.
***
»Also, meine Herrschaften, was gibt es Neues?« Neumeister sah gespannt in die Runde und wartete ungeduldig, dass einer der Beamten aufstand, um neue Erkenntnisse zu präsentieren oder Fotos auf die Pinnwand zu heften.
Doch keiner der Kommissare rührte sich, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und steigerte somit nur die deprimierende Stimmung, die sich im Konferenzraum ausbreitete. Es war nicht nur der Unmut - noch niemanden verhaftet zu haben - der in der Luft lag, sondern auch die Tatsache, dass sie nicht als Team handelten, sondern sich als Konkurrenten sahen. Der eine konzentrierte sich darauf, für Beiel vom Richter einen Haftbefehl zu bekommen, wobei er sich in diese Idee verrannte und alles andere ignorierte, während der andere sich mit der gleichen Sturheit auf einen fremdgehenden Exmann versteifte und Monika war noch nicht einmal in der Lage, überhaupt einen Tatverdächtigen zu präsentieren - was sie ebenso beunruhigte, wie der frei herumlaufende Mörder es konnte. Hofer und Specht waren beide so überzeugt, so sicher … wie sie es sonst auch immer war. Sie kannte das Gefühl, verbissen hinter jemandem herzujagen, aber in diesem Fall blieb der Täter unsichtbar für sie. Er hinterließ ihr nichts; nichts, womit sie etwas anfangen konnte. Ihre Kollegen hingegen waren so überzeugt von ihren Thesen, dass sie dem Partner keinen Platz zur Argumentation ließen. Somit war der Trupp in zwei Lager gespalten und Monika stand dazwischen, obwohl sie das Gefühl nicht losließ, dass keiner von beiden recht hatte.
Da die Stimmung am Boden war und es kaum Neues zu berichten gab - zumindest nichts Konkretes - beantwortete keiner Neumeisters Frage, was diesen dazu veranlasste, nachzuhaken: »Ich liege also richtig in der Annahme, Sie haben noch immer die beiden Tatverdächtigen, aber keinerlei Beweise, die in einem der beiden Fälle weitere Schritte rechtfertigen würden?« Neumeisters Blick bohrte sich in die Beamten. »Ich hatte von Ihnen heute mehr als Schweigen erwartet.« Hofer knallte seine Unterlagen
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