Totgelesen (German Edition)
sind.« Specht erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und trat dem Ehepaar Schindler entgegen. Herr Schindler schritt voran, seine Frau - wie ein zerbrechlicher Schatten - hinterher.
»Haben Sie den Mörder unserer Tochter?« Schindlers Tonfall ließ auf seinen Unmut schließen, noch kein Ergebnis präsentiert bekommen zu haben.
Specht ignorierte die Frage. »Setzen Sie sich bitte. Ich habe Sie heute zu mir gebeten, um Ihnen drei Stimmaufzeichnung vorzuspielen. Ich hoffe, Sie erkennen auf einer den Mann, der mit Ihrer Tochter liiert war.«
Umständlich ließ sich Herr Schindler in einen der Besucherstühle fallen und erlaubte seiner Frau - mit beiläufiger Geste - es ihm gleich zu tun. »Legen Sie los. Mein einziger Wunsch ist es, den Mann hinter Gitter zu sehen, der meine Kleine auf dem Gewissen hat.« Schindler beugte seinen Kopf Richtung Kassettenrekorder auf Spechts Schreibtisch, als ob er anders nichts hören würde.
Specht drehte die Lautstärke des Rekorders nach oben und ließ Nußbaumers Stimme durch den Raum dröhnen. Bis zu der Stelle, an der Nußbaumer über das Aussehen von Birgit Schindler lästerte. Kurz davor schaltete Specht den Rekorder auf Pause.
»Kommt er Ihnen bekannt vor?«
»Ist das der Mann, der sie umgebracht hat?« Schindlers Miene zeigte keinerlei Regung, er saß da, wie aus Wachs gegossen und wartete auf Spechts Antwort. Frau Schindler starrte den Gummibaum vor Spechts Schreibtisch an, als ob er sich dadurch in ihre Tochter verwandeln würde.
»Ich darf Sie nicht beeinflussen. Es gibt noch zwei weitere Aufnahmen, die ich Ihnen vorspielen muss. Vielleicht ist es das Beste, sich auch diese beiden anzuhören und danach Ihre Entscheidung zu treffen.« Specht legte eine weitere Kassette in den Recorder und ließ den Wettermoderator über den verhältnismäßig trockenen Winter berichten. Nach einer halben Minute, kam ein Mann an die Reihe, der für Kinder Rotkäppchen vorlas. Nachdem alle über die Krankheit der Großmutter informiert waren, suchte Specht nochmals die erste Aufnahme und spielte sie erneut ab. »Ich hoffe, eine der Stimmen stimmt mit der des Anrufers überein.«
Schindler blinzelte Specht nachdenklich an, bevor er sagte: »Dann bestätige ich Ihnen hier und jetzt, dass es der ist, den Sie uns am Anfang schon vorgespielt haben.« Wie zur Untermauerung seiner Worte nickte er, schob den Sessel zurück und stand auf. »Das war’s dann wohl, oder?« Er sah zu seiner, noch immer den Blumentopf anstarrenden Frau. »Kommst du?«
»Nein.« Das Wort drang leise aus ihrem Mund. Es hörte sich an, als wage sie das erste Mal, sich gegen ihn zu stellen. Sie löste ihren Blick von der Pflanze und wendete sich zu ihrem Mann, blickte aber schnell wieder zu Boden, um ihren Mut nicht zu verlieren.
»Nein, ich kann das nicht. Ich kann nicht bezeugen, dass es der Mann vom Telefon war. Ich wünsche mir nichts mehr, als den Mörder meines Babys zu finden, aber so versündigen wir uns, wenn er es nicht war. Ich kann diese Verantwortung nicht übernehmen und du kannst es auch nicht.«
***
Monikas Handy läutete, als sie ihr Büro betrat. Hofer war am anderen Ende.
»Hättest du gestern etwas Wichtiges gebraucht? Ich hatte mein Handy ausgeschalten, um einmal einen ruhigen Abend zu genießen.«
In Monikas Kopf dröhnte es; ihr Magen krampfte. Sie erinnerte sich an den Wein und die Schnäpse, die sie sich genehmigt hatte, nachdem Hofer nicht erreichbar war.
»Nein, nein. Wollte nur ein paar Details über die beiden Fälle durchgehen. War nichts Weltbewegendes dabei ...«, beim Ausziehen ihrer Jacke verlor sie beinahe ihr Mobiltelefon, ihre Körperkoordination litt noch - ein klein wenig, »hatte nur ganz vergessen, dir zu sagen, dass sogar Beiels eigener Literaturagent ihm zutraut, jemanden zu ermorden.«
Sie warf die Jacke auf den Schreibtisch und zog aus ihrer Tasche ein Päckchen Kaugummi.
»Wirklich? Was hat er denn gesagt?« Hofers Neugier war durchs Telefon spürbar. Monika schob sich den Kaugummi zwischen die Zähne, klemmte das Telefon mit der Schulter ans Ohr und durchsuchte ihren Schreibtisch nach Papier und einem Kuli. »Eigentlich nichts. Das hat für mich als Antwort mehr ausgesagt, als es Worte gekonnt hätten.«
»Das heißt, du bist langsam auch überzeugt davon, dass Beiel dahinter steckt.«
»Nein, das habe ich nicht gesagt.« Monika bereute, überhaupt damit angefangen zu haben. Als Kriminalinspektor war es wichtig, immer über die Ergebnisse der anderen
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