Totgelesen (German Edition)
verhärtete. Mike beschloss, es fürs Erste bei der Wahrheit zu belassen und ihr zu erklären, er sei nur Computerspezialist beim Landeskriminalamt. Er erläuterte ihr seine bisherigen Recherchen und sagte, er sei ins Café gekommen, da der angebliche Mörder von dort seine E-Mail mit dem Wortlaut: »Ich hab´s getan.«, abgeschickt hatte.
»Und deshalb musstest du in unser Betriebssystem eindringen?« Sibi schüttelte ungläubig den Kopf.
»Na ich habe mir gedacht, die Daten aller User sind dort gespeichert. Vielleicht habt ihr - aus Sicherheitsgründen natürlich - Fotos oder sonstige Anmeldedaten festgehalten, man weiß ja nie.« Langsam dämmerte ihm, wie unüberlegt diese Aktion war.
»Du weißt, dass das kompletter Schwachsinn ist, oder? Kein Cybercafé kann es sich leisten, irgendwelche Daten zu verlangen oder zu speichern, wir schon gar nicht. Wir sind eines der meistbesuchten Cafés in ganz Graz.«
»Somit erübrigt sich meine Frage, ob dir oder sonst einem Kollegen jemand aufgefallen ist, oder?«
***
Nachdem sie bei der Besprechung nicht weiter kamen, verzog sich Monika in ihr Büro. Vielleicht sollte sie das Gutachten vom Psychiater doch noch mal genauer studieren. Sie nahm die Akte erneut zur Hand. Doch bevor sie sie aufschlug, stachen ihr die Worte, die sie auf den Deckel gekritzelt hatte, ins Auge: Dicker Mann mit Glatze. Den Anruf vom heutigen Morgen hatte sie gänzlich vergessen. Irgendein Typ, der eine Homepage gestaltet hatte und nun entlassen worden war. Dennoch ließ die Tatsache, dass einer ihrer Kollegen bei diesem Web-Büro war, Monika keine Ruhe. Wer passte auf diese Beschreibung? Sie überlegte fieberhaft, während sie rund um die Buchstaben kleine Kringel auf den Aktendeckel malte. Hofer konnte es nicht gewesen sein - die Beschreibung passte überhaupt nicht und Specht schon gar nicht. Dick und Glatze … der Computerspezialist. Der war zwar nicht wirklich dick, aber untersetzt und Glatze war auch übertrieben - überdimensionale Geheimratsecken wäre passender. Aber wieso sollte der ins Büro der Homepage-Firma gehen und veranlassen, dass dieser Haberl entlassen wird. Wieso sollte der überhaupt irgendwo hingehen? Seine Aufgabe bestand darin, Rechner nach verwertbaren Beweisen zu untersuchen oder im Internet zu recherchieren, aber doch nicht selbstständig Erkundigungen einzuziehen. Dennoch beschloss Monika, ihm einen Besuch abzustatten.
Das Büro der IT-Abteilung bestand aus Mikes Schreibtisch und einem Berg beschlagnahmter Laptops und Computer, die noch nicht vollständig durchforstet waren. Mike saß vor einem dieser Geräte und starrte auf den Bildschirm. Ohne sich umzudrehen sagte er: »Ich bin gleich fertig.«
Da Monika keine Lust hatte zu warten, stellte sie sich vor Mike und konfrontierte ihn mit ihrer Annahme. »Was hatten Sie bei der Agentur Pichelbauer zu suchen?«
Dass sie richtig lag, erkannte sie an der Schnelligkeit, mit der Mikes Gesicht bleich wurde und der Intensität, mit der er sich seinem Computer widmete.
»Wer sagt Ihnen, ich sei dort gewesen?«, stammelte er, während er weiter auf seine Tastatur einhämmerte. Monika wurde wütend; sie trat mit dem Fuß gegen den Computerstuhl, sodass sich Mike zu ihr drehte. Der wollte sich wieder zu seinem Arbeitsgerät drehen, aber Monika hinderte ihn daran.
»Raus mit der Sprache. Was läuft hier?«
***
Specht saß in seinem Bürostuhl und sah zum Fenster hinaus. Die Sonne strahlte vom Himmel, doch sein Kopf dröhnte, sein Hals kratzte. Er hustete, tief und bellend, seine Lunge schmerzte. Er griff sich an die Stirn - Fieber spürte er keines. Dennoch musste es da sein, so wie er sich fühlte. Er lehnte seinen Kopf gegen die Wand. Die Kälte tat seinen Kopfschmerzen gut, ließ ihn aber gleichzeitig frösteln.
Nach dem Debakel mit den Schindlers und der Besprechung, bei der sein Verdächtiger ignoriert worden war, hatte Neumeister ihn auch noch zu einem anderen Fall geschickt.
»Nur kurz ermitteln, ob es sich bei der alten Frau, die tot am Fuß ihrer Kellertreppe gefunden wurde, um Fremdverschulden handelt.« Da die Haustür nicht versperrt war, konnte man diese Tatsache nicht ausschließen. Deshalb musste Specht wiedermal die Arbeit erledigen und hinfahren, während die beiden Kollegen sich ihrer Recherchen widmen konnten.
Specht nahm ein Taschentuch vom Schreibtisch und schnäuzte sich. Sein Kopf fühlte sich an, als ob er kurz vor dem Zerspringen wäre. Sein Magen rebellierte. Er
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