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totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)

Titel: totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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höflichst zu bitten, ob ich ausnahmsweise, nur dieses eine Mal, Herrn Matti von der Trauerhalle am Friedhof abholen könne. Er selber schaffe es momentan wegen dringender Angelegenheiten nicht. Also änderte ich meinen Kurs und kam gerade rechtzeitig am Hauptfriedhof an, als die ganze Beerdigung »Rosen, Herbert – 8.30 Uhr« gelaufen war. Wir räumten unsere sechs großen Mietkerzenhalter inklusive Kerzen schweigend in mein Auto. Ich bat die Prusseliese, also Frau Kostnitz, gleich mit uns ins Büro zu fahren, damit ich mit ihr den Monat abrechnen konnte. Sie stimmte bereitwillig zu. Ich vermutete, dass sie auf Matti stand, so wie sie ihn ansah, während er ihr Komplimente für ihr Orgelspiel machte.
    Während Matti noch die Trauerhalle ausfegte und die letzten Reste von Blüten und Blättern der Kränze und Gestecke in den Müll warf, spielte sie auf der Orgel einen traurigen Tango von Carlos Cardel. Matti fegte dabei schwungvoll und beinahe heiter vor sich hin. Als wir endlich im Auto saßen, übergab ich Matti das belegte Brötchen und versuchte es mit seiner ihm eigenen Einwort-Konversationsform.
    »Frühstück.«
    Matti nickte, biss herzhaft in das Brötchen und fing an, mein Auto voll zu krümeln.
    »Ich hoffe, Sie mögen Nutella?«
    »Hm.«
    Was für ein Enthusiasmus! Die Prusseliese machte ein enttäuschtes Gesicht, weil sie in mir wahrscheinlich Konkurrenz befürchtete. Wenn ich mit knapp 70 noch eifersüchtig sein konnte, dann danke.
    Ich drehte den Zündschlüssel um. Matti öffnete die Autotür.
    »Wo wollen Sie denn jetzt hin? Wir müssen ins Büro.«
    »Hab’ was vergessen. Fahren Sie schon.«
    Na, wenn er unbedingt will. Die Prusseliese legte sanft eine Hand auf Mattis Schulter und hielt ihn fest. So sah es jedenfalls aus.
    »Das können Sie doch morgen auch noch holen«, sagte sie, und Matti blieb sitzen, steif wie ein Stock.
    Die Prusseliese nickte mir aufmunternd zu, und so fuhr ich los. Die Autotür fiel beim Anfahren von alleine zu.
    Kaum war ich in die Hofeinfahrt bei Pietät Sommer eingebogen, war Matti, kalkweiß im Gesicht, aus dem Auto gesprungen und ohne ein Wort zu sagen in den Arbeitsräumen verschwunden. Die Prusseliese schaute ihm kopfschüttelnd hinterher und folgte mir in Richtung Vordereingang.
    Der Anrufbeantworter im Büro hatte nichts zu bieten, und nachdem die Prusseliese ihr Geld bar auf die Hand bekommen hatte, ging sie versöhnt von dannen. Herr Matti kam extra nach oben, hielt ihr artig die Tür auf und begleitete sie auch noch hinaus. Also, da lief doch was zwischen den beiden! Das sah ein Blinder mit Krückstock.
    Ich nutzte die Zeit, um Kopien unserer Broschüren nachzufertigen. Eines musste man Sommer lassen: Das technische Equipment war einwandfrei. Kopierer, Drucker, Computer, alles auf dem neuesten Stand. Allerdings blieb meine Suche nach Herrn Mattis Personalakte erfolglos. Keine Papiere im Schrank, keine Anmerkungen im Computer. Jedenfalls nicht in den Dateien, an denen ich mich ohne Passwort vergreifen durfte. Ich machte die Gegenprobe, und siehe da – meine Adresse mit Sozialversicherungsnummer, Bankverbindung und vereinbarter Lohnzahlung plus Urlaubskalender fand ich ohne Probleme in der Filemaker-Datenbank. Das zu meinem Ranking in dieser kleinen Firma.
    Am frühen Nachmittag fuhren Matti und Sommer mit den »Einäscherungen« zum Amtsarzt. Das ist so Vorschrift, denn, ist man erst einmal verbrannt, sind eventuell im Rücken steckende Messer oder Äxte leider nicht mehr nachzuweisen.
    Das mit der Brötchenversorgung war bei Matti so gut angekommen, dass er mich aus lauter Dankbarkeit für selbigen Abend einlud, ihm dabei zuzusehen, wie man jemandem eine hygienische Grundversorgung angedeihen ließ, der offen aufgebahrt werden sollte. Jeder gibt halt, was er kann. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, aber ich Dämlack von einer neugierigen Nase sagte zu.
    Kaum zwei Stunden später bereute ich meine Neugierde schon zutiefst. Wie meine Oma schon immer so weise bemerkt hatte: »Die Neugier ist des Raben Tod.«
    Herr Matti wies mich an, die Leiche eines 50-jährigen Mannes zu entkleiden, der am Vortag mit einem tödlichen Herzinfarkt von einer Leiter gefallen war. Seine Frau hatte frische Sachen für ihn mitgegeben. Einen ordentlichen Anzug, ein weißes Hemd, Strümpfe und passende Schuhe. Meine Hände zitterten so sehr, als sollte ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Bombe entschärfen. Herr Matti kam mir freundlicherweise zu Hilfe, denn ich hatte prompt

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