totgepflegt: Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab (German Edition)
den Verstorbenen zu tun gehabt hatte, und das war’s. Gute Reise.
Meine abendliche Duschorgie spottete jeder Beschreibung. Nach einer halben Stunde heißer Berieselung befand ich mich wieder für klinisch rein. Aber allmählich wurden meine Klamotten knapp. Ich raffte alle Häufchen in einen blauen Müllsack. Morgen dürfte ich ein Vermögen in der Reinigung ausgeben, um nicht spätestens am Dienstag nackt im Büro erscheinen zu müssen. Ein zweites Paar teurer Schuhe endete auf dem Kellerregal. Dr. Thoma blieb meinem Souterrain fern. Mir war der Appetit auf Fleischsalat vergangen. Ich konnte mich noch nicht mal zu einem klitzekleinen Pfefferminzplätzchen überreden. Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem dicken Ekelpickel auf der Unterlippe.
05
Endlich, Samstag! Alles in allem verschwanden 60 Deutsche Mark im gierigen Schlund der Schnellreinigung. Mein Ekelpickel auf der Lippe war nach einer Behandlung mit Zahnpasta (altes Hausrezept von meiner Oma) auf Minimalmaß zurückgeschrumpft.
Jetzt hing mein Kopf entspannt über einem der ergonomisch geformten Waschbecken in Wilmas Salon. Ich war bereit zu vergessen. Der Salon brummte und summte, heiteres Geplapper plätscherte von links und rechts auf mich ein. »Schnipp, Schnipp, Schnapp« und »Möchten Sie noch einen Kaffee?«. Aber klar doch. Gerne.
Wilma höchstpersönlich verpasste mir eine Kopfmassage. Wie ich da so hing und mich wohlig ihren geschickten Fingern hingab, hätte ich augenblicklich jeden Blankoscheck unterschrieben. Ich war so entspannt, dass ich Wilmas Themenwechsel nicht ganz mitbekommen hatte. Sie plapperte sich erst mal ausgiebig am schlechten Zustand meiner Lockenpracht fest und erklärte mir, dass man heutzutage so nicht mehr aussehen müsse. Gegen Spliss und trockene Haare gäbe es doch wohl genug. Ja, dachte ich noch, und gegen dein Plappermaul kenn’ jetzt ich auch was.
Ich ließ in gut verteilten zeitlichen Abständen pflichtschuldig ein paar »Hms« einfließen. Das ging eine Zeit lang ganz gut, aber dann legte Wilma mich rein.
»Woran arbeitest du eigentlich jetzt?«
»Hm«, brummte ich automatisch.
»Hallo, jemand zu Hause, Frau Abendroth? Ich habe dich gefragt, an was du gerade arbeitest.«
»Nichts Besonderes. Routinezeug.«
»Was soll das denn heißen? Bisher war es immer Comedy, Krimi oder eine lebensgefährliche Undercover-Recherche. Ich kenne keine Serie, die Routinezeug heißt.«
Ach, Wilma. Ich konnte ihr nichts vormachen. Ausweichende Antworten galten hier mal rein gar nichts.
»Außerdem könntest du ruhig mal wieder mit mir ins Kino gehen. Im UCI läuft seit einer Woche Schokolade zum Frühstück , und du hast noch nicht mal angerufen.«
Ihr Vorwurf ging in einem Schwall viel zu kalten Wassers unter, das mir prompt in die Ohren lief.
»Arrghh. Zu kalt! Was wird das, chinesische Wasserfolter à la Wilma?«
»Ich kriege es schon aus dir raus. Ich weiß, dass du eine treulose Tomate bist, wenn du an was arbeitest, aber noch sicherer weiß ich, dass du dich immer verdrückst, wenn ein neuer Mann in deinem Leben aufgetaucht ist. Kann ich davon ausgehen, dass ich demnächst was zu lesen kriege – oder darf ich einen Kerl begutachten?«
Schlagartig verstummte das Gesumme und Gebrumme im Salon. Jetzt wollten es aber wirklich alle wissen. Ich gab zu, dass ich jetzt mit Dr. Thoma zusammen war: »Er hat total viele Haare auf der Brust und er schnurrt, wenn ich ihn unterm Kinn kraule. Er hat zwei Eier, einen langen buschigen Schwanz, den er wie einen Bischofsstab hinter sich herträgt – und er ist ein Kater. Reicht das jetzt? Weiter frisieren!«
Das Salongeschnatter setzte wieder ein. Unsanft zurrte Wilma ein Handtuch um meinen Kopf und schubste mich aus dem Stuhl am Waschbecken in Richtung Frisierstuhl.
»Sei doch nicht gleich so kratzig. Ich mach’ mir schließlich so meine Gedanken. Seit dem Umzug habe ich von dir nichts mehr gehört und gesehen.«
Ich schwieg. Als ob das jemals was genützt hätte.
»Ich habe öfter mit dir geredet, als du drei Wochen auf Recherche mit dem Postschiff nach Spitzbergen unterwegs warst.«
Autsch, das hatte gesessen. Als ich von dieser Reise zurückgekommen war, hatte mir zum ersten Mal gedämmert, dass der Knipser angefangen hatte, sich abzuseilen.
»Fang nicht an wie meine Mutter.« Ich ließ mich in den Frisierstuhl fallen und betrachtete mich im großen Spiegel. Tatsächlich, man konnte sehen, dass ich abgenommen hatte. Ich hatte beinahe schon eingefallene Wangen.
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