totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
ich höre, dass es nicht nur um Winnie geht, wenn ich das recht verstehe.«
»Möglich. Ja, kann sein.«
»Sie fragen sich also, was mit Ihren Freunden generell los ist?«
»Könnte man so formulieren. Alle ziehen ihren Streifen durch … und … und … ich, ich hechele hinterher. Immer krieg ich nur die Hälfte der Spielregeln erklärt … oder ein Zehntel der Informationen … und dann werde ich ausgepfiffen, wenn ich in ein Fettnäpfchen trete … was ja kein Wunder ist! Ich meine das Fettnäpfchen. Woher soll ich wissen, wo die sind – ohne Lageplan! Das ist wie Schiffe versenken!« Ich hatte mich in Rage geredet und machte den Mund zu, bevor mir noch mehr Geständnisse herausfallen konnten, die ich nie mehr würde zurücknehmen können, weil Gerrit fleißig mitschrieb. »Das ist keine Therapiestunde«, sagte ich schnell.
»Was dann?«
»Ich wollte nur mal … also einen Rat. Das müssen Sie alles nicht aufschreiben.«
Gerrit lächelte. »Und was ist mit Ihren Spielregeln? Sind die klar? Ich meine, Ihren Freunden klar?«
Die sind dir doch noch nicht mal selber klar, sagte meine innere Stimme. Jetzt war es an mir, Gerrit mit einem leeren Blick zu bedenken, während er auf meine Antwort wartete. Da kann er lange warten.
»Okay … zum Thema Winnie«, sagte er. »Und das ist jetzt ganz privat, das hat mit Therapie gar nichts zu tun: Er mag Sie. Aber so wenig, wie Sie ihn verstehen, kapiert er, warum Sie sich konsequent in Schwierigkeiten bringen. Sie beklagen sich über mangelnde Kommunikation der anderen Seite. Wie sieht denn Ihre aus? Sie bringen sich fortlaufend in Lebensgefahr. Ihre Freunde hätten alles Recht der Welt, Ihnen vorzuwerfen, hinter Ihnen herhecheln zu müssen. Ist Ihnen das eigentlich klar? Sie nennen diese Menschen um sich herum Freunde. Matti, Rudi, Berti, Winnie, Wilma, meinetwegen auch Mia und Elli, Carmen und Ihren Anwalt, diesen Doppeldoktor Herzig … Haben Sie den Eindruck, diese Leute wollten Ihnen irgendwas antun, wenn sie versuchen, Ihr Leben zu retten? Und das auch noch meistens im wortwörtlichen Sinne.«
»Nein …«
»Was an diesen Leuten ist dann falsch?«
»Nichts«, sagte ich kleinlaut.
»Nehmen Sie denen irgendetwas übel?«
»Nein.«
»Aber aus irgendeinem Grund sind sie für Sie unerträglich?«
Ich nickte.
»Warum?«
Bevor ich die Notbremse ziehen konnte, hatte meine innere Stimme die Oberhand gewonnen und gestand: »Weil ich nicht will, dass sie mir beim Scheitern zugucken.« Irgendetwas hielt meine Kehle umklammert und drückte immer fester zu.
»Und haben Sie Erfolg mit Ihrer Methode?«
»Nein«, krächzte ich. Ganz im Gegenteil, schnarrte meine innere Stimme: Deine Freunde haben dich mittlerweile bei allen Peinlichkeiten dieser Welt gesehen. Einfach, weil sie mussten – sonst wärst du schon längst tot. Mit einem Taxi in der Ruhr versoffen, von durchgeknallten Metzgerfrauen zu Wurst verarbeitet, und, und, und …
»Also ist Ihre Taktik nicht sinnvoll. In einer Freundschaft sollte es möglich sein, sowohl Applaus als auch das Ausgebuhtwerden ertragen zu können. Dafür sind Freunde da. Auf Ihrer Lebensbühne ist nun mal der Scheinwerfer nur auf Sie gerichtet. Ob Sie wollen oder nicht. Das ist durchaus akzeptabel. Falls nicht, kann ich Ihnen nur empfehlen, in die Wüste zu ziehen … oder an den Nordpol.«
Ich erhob mich. »Sehr poetisch, Gerrit. Gut, dass wir mal drüber geredet haben.«
»Nicht zynisch werden. Wo wollen Sie überhaupt hin? Wir haben noch zwanzig Minuten.«
»Sie haben noch zwanzig Minuten, ich nicht.«
»Okay. Stunde beendet. Sehen wir uns am Sonntag? Es läuft dieser schwedische Krimi … mit diesem wahnsinnigen Typen … wie heißt der noch gleich? Wow, diese Augen!«
»Kommissar Beck.«
»Nein, sein Assistent.«
Plötzlich war Gerrit wieder ganz privat und schwärmte von einem schwedischen Schauspieler. Ich nahm es ihm übel, dass Mikael Persbrandts Augen in ihm größeres Interesse auslösten als mein chaotisches Leben.
»Ich mach uns Pommes mit …«
»Nein, danke. Ich hab genug gehört. Ich muss jetzt los.«
Kapitel 7
Zu viel Erkenntnisgewinn kann einen auch ganz schön durcheinanderbringen. Ich setzte mich mit Kaffee und Zigaretten in die Küche und starrte die Wand an. Aber alles, was ich herausfand, war, dass auf den grünen Kacheln hinter der Spüle 36 Prilblumen klebten, und zwar nur solche mit orangefarbenem Außenrand. Ob Winnie die gesammelt hatte, als er noch klein war?
Doktor Thoma umrundete derweil den
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