totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
Tag sieben Uhr
... wenn ich das Gekritzel richtig interpretiere. Schreibt der eigentlich immer alles auf? Oder ...? Maggie?!«
»Ich hab nix damit zu tun. Das hat ihm bestimmt Miss Topisto geraten.«
Er kurbelte die Scheibe hoch und gab Gas.
Ab jetzt wurde es lebensgefährlich für Rudi. Die Fahnder würden nicht eben zimperlich mit ihm umgehen, wenn sie ihn fänden. Ich drehte die Heizungen auf und warf meine Tasche auf die Couch. Meine erste Nacht in meiner neuen Wohnung. Von Doktor Thoma keine Spur, na ja, nicht ganz. Eine Teppichfliese hatte er bereits so bearbeitet, dass sie schon ganz dünn in der Mitte war. Ich kniete mich auf den Boden und schnupperte. Es roch nicht nach toter Maus, nur nach der Chemie, die neue Teppichfliesen eben so ausdünsten.
Ein Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren. Ich rappelte mich auf und schob die Gardine zur Seite. Walburga starrte mich an.
»Was willst du?«, rief ich durchs geschlossene Fenster.
»Ist das deine Katze?«, schrie sie zurück.
»Welche?«
»Die bei meiner Freundin in der Küche hockt und den Kühlschrank leer frisst!«
»Könnte sein«, sagte ich. »Schmeiß sie doch raus.«
»Die lässt sich aber nicht anfassen!«
»Ich komme«, sagte ich und öffnete die Tür.
»Was machst ausgerechnet du hier?«, sagte Walburga unfreundlich.
»Wohnen. Was dagegen?«
»Hast du das mit dem Body gepetzt? Danuta und ich haben totalen Ärger.«
»Ach? Ich dachte, ihr habt Urlaub.«
»Vielleicht verlieren wir sogar unseren Job.«
»Sei mal ein bisschen freundlicher, sonst kann deine Freundin sehen, wie sie den Kater wieder aus der Bude kriegt. Und nein, ich habe nichts gepetzt«, log ich. »Jones kommt auf manche Sachen auch von ganz allein. Vor allem, wenn ihr den Kram auf dem Flohmarkt vertickt, und die halbe Belegschaft weiß davon. Und im Übrigen:
Ich
habe heute Morgen meine Kündigung gekriegt und nicht ihr.«
Walburga blieb plötzlich mitten auf dem Hof stehen, und ich stolperte in sie hinein. »Warum das denn?«, sagte sie.
»Ist leicht zu erraten. Möhl und seine Beurteilungen. Und ich wette mit dir, dass Danuta da mit dran geschraubt hat, und du wahrscheinlich auch. Ihr habt mich vom ersten Tag an gemobbt. Und jetzt lass mich den Kater holen, und dann verschwinde aus meinem Leben. Ich möchte in Ruhe hier wohnen und mit dir nichts mehr zu tun haben.«
Walburga kniff die Augen zusammen und öffnete den Mund, um was zu sagen, aber ich hob die Hand und sagte: »Verzichte auf deine Entschuldigung.«
»Das hättest du wohl gern. Ich hab mich für nix zu entschuldigen. Und schon gar nicht bei dir!«
Im ersten Stock erwartete mich das übliche Szenario. Doktor Thoma in der Küche, verzweifelte Kühlschrankbesitzer eng zusammengedrängt im Wohnzimmer. Kaum, dass ich in der Diele stand, wollte Frau Schmicke auf mich losgehen, aber Walburga drängte sie zurück ins Wohnzimmer.
»N’Abend«, sagte ich. »Tolles Kostüm – Kinky-Slinky-Extra-Schlank, wie ich sehe. War letzte Woche im Angebot.«
Der Mann auf dem Sofa stellte sich mir nicht vor, sondern glotzte nur, schob Tabakkrümel vom Couchtisch auf den Teppich und drehte den Fernseher lauter. Frau Schmicke riss ihm die Fernbedienung aus der Hand, bückte sich, klaubte die Tabakkrümel wieder auf und fauchte: »Sag du doch auch mal was. Die kommt hier einfach rein ... und ...«
Der Kerl stemmte sich aus dem Sofa, grunzte und schlug die Wohnzimmertür zu.
»Du hast ja tolle Freunde«, sagte ich zu Walburga. »Die reinsten Salonlöwen.«
»Halt die Klappe, Maggie«, zischte sie und schubste mich durch die Diele in Richtung Küche. Die beiden Couchpotatoes konnten durchaus die Personen gewesen sein, die im Hof den Wagen beladen hatten. Dagegen sprach, dass ich mir kaum vorstellen konnte, wie der Typ überhaupt unfallfrei einen Karton tragen, geschweige denn einen frisierten Audi fahren sollte. Rein geistig schien er das Niveau eines Spielgefährten aus Kautschuk zu haben.
»Jetzt mach endlich«, sagte Walburga.
Die Küche sah aus wie der Ausstellungsraum von Quality-TV. Bis auf den ausgeräumten Kühlschrank und den dicken Kater, der rülpsend unterm Küchentisch saß, selbstverständlich. Bevor Doktor Thoma überhaupt kapierte, was los war, hatte ich sein Nackenfell gepackt und ihn unter dem Tisch hervorgezogen. Er war so vollgefressen, dass er noch nicht einmal mehr protestierte. Vielleicht war er aber auch erschöpft von der wilden Verfolgungsjagd, die er sich mit den Bewohnern geliefert hatte,
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