totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
Moment wusste ich nicht, wo ich war. Ich hatte schlecht geschlafen und war dementsprechend orientierungslos. In der Nacht hatten die Garagentore gequietscht, und Autos waren über den Hof gerollt. Dann hatte ich geglaubt, ein tiefes Brummen direkt neben meinem Bett zu hören. Irgendwann waren alle Geräusche zu einem unheilvollen Traum verarbeitet worden, in dem ein schwarzer Audi, vollgeladen mit Teppichen von Quality-TV, die Hauptrolle gespielt hatte. Ich fiel beinahe von der Couch, als ich mich aufrichtete, denn Doktor Thoma hatte sich so breit gemacht, dass er mich bis an den Rand der Schlafcouch gedrängt hatte. Es dauerte eine Weile, bis ich das Handy in meiner Tasche gefunden hatte. Auf dem Display leuchtete mir
Bestattungen Abendroth
entgegen. Und ich sah die Uhrzeit: 7.30 Uhr. Ich freute mich trotzdem, Mattis Stimme zu hören. Aber es war Mia, die mir zum neuen Job gratulierte und mich bereits sehnsüchtig erwartete. Sie versicherte mir, dass sie umgehend Espresso für mich besorgen wollte und ein neues Notizbuch und sie würde mit Matti bis zu meiner Ankunft einen weiteren Schreibtisch aufbauen, und, und, und.
Mit dem Hörer in der Hand starrte ich auf den Garagenhof und begleitete Mias Erklärungen mit ein paar »Hms« und »Ja« und »Toll«. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Mia sagte: »Bis dann, also ... Hast du was von Rudi gehört?«
»Nein«, sagte ich und verabschiedete mich. Und endlich wurde mir klar, warum es draußen viel dunkler war, als ich erwartete hatte. Der Schnee war weg. Ich öffnete das Fenster und ein laues Lüftchen wehte herein. Aus der Traum von der weißen Weihnacht.
Ich schaute aufs Handy. Keine Nachricht von Winnie. Der müsste doch mittlerweile Rudis Familienverhältnisse überprüft haben. Mach schneller, Winnie, dachte ich. Je eher Rudi aus dem Schneider ist, desto schneller bin ich den Job bei Matti wieder los.
Aber das willst du doch gar nicht, sagte meine innere Stimme. Was weißt du denn schon, was ich will und was ich nicht will. Egal, was da im Sarglager war – Matti und ich, darüber gibt es nichts zu diskutieren.
Da hab ich aber was anderes gesehen ...
Die Tangomelodie hielt mich von der Fortsetzung meines stummen Streitgespräches ab. Worüber ich sehr froh war, denn ich ahnte, dass ich die Diskussion diesmal verlieren könnte.
Ich nahm den Anruf an, hörte Reifen quietschen, Ellis Stimme, die Oma Berti zu noch forscherer Fahrweise aufforderte, und plötzlich ein Martinshorn und wieder Ellis Stimme: »Maggie, Maggie ... die Bullen sind hinter uns her.«
»Und warum?«
Plötzlich war die Leitung tot. In der nächsten Sekunde schoss Bertis alter grüner Mercedes Kombi auf den Hof, bremste und geriet ins Rutschen. Ich machte einen Satz vom Fenster weg, weil das Heck des Wagens direkt auf mich zukam. Ich sah die vor Panik aufgerissenen Augen von Davidoff, der auf der Rückbank herumgeschleudert wurde.
Der Motor erstarb, und zwischen die Heckleuchten und mein Wohnzimmerfenster passte keine Briefmarke mehr. Berti und Elli stiegen aus, an der Hofeinfahrt rauschte ein Polizeiwagen vorbei, und das Quäken des Martinshorns wurde leiser.
Ich öffnete die Tür. »Was glaubst du, wo ich einziehen werde, wenn du mir mit deinem Wagen ein Loch in die Mauer rammst?«, sagte ich zu Berti.
»Is doch gar nix passiert. Ich hab die Karre im Griff. Und hat doch geklappt – die Trachtentruppe is wech.«
»Warum flüchtest du überhaupt vor der Polizei? Ist deine Bonuskarte in Flensburg voll?«
Berti zuckte die Schultern. Elli schob mich von der Tür weg und pflanzte sich mitten im Zimmer auf.
»Seid ihr sicher, dass die hinter euch her waren?«
»Wat denn sonz?«, sagte Berti, guckte sich kurz in der Wohnung um und fuhr fort: »Zieh dir ma wacker wat an. Wir müssen uns wat angucken.«
»Müssen wir das? Sind wir bis zwölf wieder zurück? Ich hab nämlich einen neuen Job.«
»Wissen wir«, sagte Elli und stupste Berti in die Seite. Die holte aus ihrer großen Handtasche einen Briefumschlag, der bereits aufgerissen war. »Dat hat so’n Hassan bei mir für dich abgegeben«, sagte Berti.
Ich nahm den Umschlag entgegen. »Und da war der schon offen?«
»Nee. Dat war ich.«
»Schon mal was von Briefgeheimnis gehört?«
»Dat is doch gar kein Brief. Dat is eine Liste. Und da haben wir wat gefunden.«
»Kann ich ’n Kaffee?«, sagte Elli kleinlaut. »Ich hab nich viel geschlafen.«
»Bedien’ dich«, sagte ich und rührte mich nicht von der Stelle. Ich
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