totgequatscht: Maggie Abendroth und der Teppich des Todes (German Edition)
Ladefläche kam ein »Aua«. Ohne vom Gas zu gehen, steuerte Berti den alten Benz durch die Hofeinfahrt und bog in die Taubenstraße ein. Sie machte sich nicht die Mühe, an der nächsten Straßenecke zu gucken, ob eine Lücke frei war. Die anderen Autofahrer mussten glauben, wir hätten uns einfach mal eben aus dem Nichts auf der linken Spur materialisiert. Der Wagen touchierte beinahe einen ahnungslosen Fußgänger, der einen Kaffee balancierend sein Heil in der Flucht suchte. Hinter mir versuchte Rudi Halt zu finden. Ich hörte, wie Schädel gegen Metall prallte.
»Berti! Wenn Rudi heil aus der Sache rauskommen soll, dann fahr ordentlich!«, rief ich und klammerte mich mit beiden Händen an Ellis Kopfstütze.
»Geht schon«, stöhnte Rudi. »Je eher wir die Sache geregelt haben, desto besser.«
Ganz in meinem Sinne, aber wenn Berti weiterhin wie Michelle Mouton herumraste, würden wir alle im Leichenschauhaus enden. Wir konnten etwas durchatmen, als sie an der roten Ampel vor dem Schauspielhaus anhielt. Kaum sprang die Ampel auf Grün, ging es im Stil der Rallye Paris-Dakar weiter. Rudi wurde auf der Ladefläche herumgekegelt, und Davidoff zitterte und versuchte, auf meinen Schoß zu klettern.
Ich rief: »Wenn wir zur Erzstraße wollen, dann musst du die Bessemer rechts rein und am Bochumer Verein links auf die Alleestraße.«
»Mach ich doch«, rief Berti.
Sie bremste in letzter Sekunde und kurbelte das Steuerrad herum. Hinter uns begann die Symphonie für 43 Hupen und 172 kreischende Bremsbeläge.
Berti, lässig eine Hand am Steuer, drehte sich um und sagte: »Rudi, du sollz unterre Decke bleiben. Wenn die Bullen dich sehen, bisse erledigt.«
»Sind wir sowieso und zwar wegen dir! Guck nach vorne!«, sagte ich. »Rudi ist da das kleinere Problem.«
»Jetzt lass doch mal die Berti fahren, wie sie will«, sagte Elli. »Du machst die noch ganz nervös.«
»Was mich nervös macht, ist die ständige Anwesenheit des Todes, sobald sie sich hinters Steuer setzt«, gab ich zurück. Rudi lachte.
»Und was bist du überhaupt so lustig drauf? Sollte dir der Arsch nicht auf Grundeis gehen? Und noch mal überhaupt: Wie kommt es, Elli, dass ihr euch wieder vertragen habt? Weihnachtswunder?«
»Wir haben uns verlobt«, sagte sie.
Den Umstand, dass man sich, um sich zu verloben, vielleicht erst mal hätte wieder versöhnen müssen, übersprang sie geradezu leichtfüßig. Ihr linker Arm schoss nach hinten, und sie hielt mir mit anmutiger Geste ihre Hand vor die Nase. Dort prangte ein Verlobungsring mit einem kleinen Diamanten.
»Der is’ echt!«
Berti nahm die nächste Linksabbiegerspur auf die Alleestraße auf zwei Reifen. Ellis Verlobungsring traf mich unterm Kinn. Aber das schmälerte ihre gute Laune nicht im Geringsten.
Unterm Radar flogen wir die Alleestraße hinauf, am Gelände des Westparks vorbei und passierten den Stadtteil Stahlhausen in unter dreißig Sekunden.
»Hast du etwa die Nerven gehabt, den Ring noch abzuholen, Rudi?«, fragte ich.
»War ja kein Problem. Ich hatte doch Zeit. Und da hab ich gedacht, wer weiß, ob ich Weihnachten überlebe oder ob ich Elli jemals wiedersehe. Also bin ich erst zum Juwelier und dann bei ihr vorbei und hab ihr das erklärt. Auch die Geschichte mit meinem Zwilling und dass das deine Idee war. Ne? Meine Zuckerschnute?«
»Ja«, sagte Elli voller Seligkeit und betrachtete den Ring. »Und kannste da Nein sagen?«
»Jederzeit«, sagte ich.
»Der Rudi hat sich nicht geschont. Und er ist wie ein Ritter vor der Tür gestanden, und Blumen hatte er auch dabei gehabt, und dann isser vor mir auf die Knie gefallen und hat gesagt: ›Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Elli Ruschkowsky, egal, was du von
mir
denkst – egal, wie die Sache ausgeht – ich denke nur gut von dir, und ich will, dass du weißt, dass ich bereit bin, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen. Du musst jetzt nichts sagen, aber bitte nimm diesen Ring von mir als Zeichen meiner Zuneigung – dann kannst du mir gerne den Kopf abschlagen‹. Das hat mein Rudi zu mir gesagt!«
Ich drehte mich um und guckte ihn an. Sein Gesicht glühte vor Stolz und Freude.
»Und wann genau war das?«
»Bevor ich zu Berti gegangen bin. Wir mussten doch was tun. Und Berti weiß immer, was richtig ist«, sagte Elli.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das den Tatsachen entsprach, denn der Mercedes schoss nach links über die Straßenbahnschienen hinweg in die Erzstraße, in eine Einflugschneise ungefähr so groß
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